Der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser ist ein begabter Demagoge. Das zeigt er aktuell auch laufend bei seinem Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Ein krasses Beispiel liefert Ganser mit seinen manipulativen Aussagen zu den Massakern russischer Truppen an ukrainischen Zivilpersonen in Butscha.
Der Sozialwissenschaftler Marko Kovic nahm an einem Video-Meeting der Ganser-Gemeinde teil und berichtet darüber in der Wochenzeitung (WOZ). Zitat:
«Der inhaltlich anregendste Teil der Videos sind die monatlichen Videofragerunden mit Community-Mitgliedern. Kritik an Ganser gibt es zwar nie, dafür liefert er ab und an erstaunliche Einblicke in seine Gedankenwelt. Zum Beispiel in der Fragerunde vom 1. Juli 2022, in der er gefragt wurde, wie er denn selber Medien konsumiere. Er antwortet am Beispiel des Butscha-Massakers, das russische Streitkräfte im März 2022 in der Ukraine begingen. Er habe sich zunächst angeschaut, was SRF und “Der Spiegel” schrieben (“Es waren die Russen”). Dann habe er nachgesehen, was RT Deutsch (ein Propagandakanal des Kreml) sowie der “Anti-Spiegel” (ein irrwitziger Blog, der hanebüchene Pro-Kreml-Desinformation streut) dem entgegenhielten (“Es waren die Ukrainer”).
Die Argumente von RT Deutsch und “Anti-Spiegel” hätten ihn überzeugt: Dass Russland schuld sein soll, sei vermutlich eine Fehlinformation.»
Schon dass Daniele Ganser als Informationsquellen SRF & Spiegel einerseits und RT Deutsch & «Anti-Spiegel» andererseits scheinbar auf gleicher Höhe gegenüberstellt, ist ungeheuerlich, aber nicht unerwartet. Der selbsternannte Friedensforscher steht zuverlässig auf der Seite der Kreml-Propaganda. Mit dem Kreml-Propagandakanal verbindet ihn eine gegenseitige Zusammenarbeit. Ein kritischer Umgang mit Quellen, wie er von einem Historiker zu erwarten wäre, ist bei Ganser nicht im Ansatz zu erkennen. Er steht distanzlos zu allen Quellen, die seinen Antiamerikanismus teilen. Das zeigt er schon seit vielen Jahren, zum Beispiel im Umgang mit der Revolution im Jahr 2014 in der Ukraine. Siehe dazu:
Daniele Ganser: Manipulation durch verzerrte Maidan-Darstellung. Krass daran ist, dass eben dieser Ganser, der seine Quellen konstant einseitig auswählt und verzerrt darstellt, seine Fans eindringlich vor angeblichen Manipulationen der Mainstream-Medien warnt. Siehe dazu: Daniele Ganser: Medienkritik mit ideologischer Schlagseite.
Missbrauchtes Butscha-Massaker
Daniele Ganser missbraucht das Massaker von Butscha für seine demagogische Propaganda. Was überzeugt ihn an den Argumenten von “RT Deutsch” und “Anti-Spiegel“?
Marko Kovic veröffentlicht auf Twitter einen Video-Ausschnitt, in dem Ganser sagt:
«Das Argument bei Butscha war, dass dort ein Bürgermeister gesagt hat: ‘Wir haben die Russen vertrieben, die sind jetzt weg’, und er sagt nichts über dieses Massaker, und dann vergehen ein paar Tage und dann kommt erst diese Geschichte vom Massaker, und dann leg ich das auf die Zeitachse und ich nehme mir auch die Weltkarte und schau mir genau an, wo das Butscha ist, ah das ist bei Kyjiw in der Nähe und dann denk ich diese Aussage vom Bürgermeister ist plausibel und dann denk ich warum hat er das denn nicht gesagt, warum hat er damals nicht vom Massaker gesprochen wenn’s das schon gegeben hätte, hätte er doch auf jeden Fall etwas gesagt und dann mach ich mir eine Notiz in meinem Archiv…
und dann nehme ich den Namen vom Bürgermeister und schreib so dazu, Butscha vermutlich Fehlinformation, was da im Spiegel stand, weil, und dann Name vom Bürgermeister, aber dann äussere ich mich noch nicht öffentlich, ich nehm’s dann noch nicht in die Vorträge, weil es hat noch nicht diese konkrete Ebene die ich brauche.»
In seiner Community hat er es nun allerdings veröffentlicht und er zeigt damit ungewollt, auf welch hochgradig schwacher Basis seine «Recherchen» stehen.
Ganser greift ein Detail heraus, eine «Anomalie», die er nicht versteht – hier die Aussage des Bürgermeisters, der das Massaker nicht erwähnt. Dann füllt er die Lücke mit seinen Feindbildern und kommt zum Schluss, dass es die Ukrainer waren (und dahinterstehen – das ist selbstverständlich bei Ganser – die Amis). Atemberaubend ist dabei, dass Ganser alle breit abgestützten Belege ausblendet, die eindeutig die russischen Besatzungstruppen für die Massaker verantwortlich machen. Siehe dazu zum Beispiel hier:
Russia’s Bucha ‘Facts’ Versus the Evidence (bellingcat)
Fake: Die massenhaften zivilen Opfer in Butscha und der Region Kyjiw sind inszeniert (Stopfake.org)
MASSAKER IN BUTSCHA: Recherchen widerlegen russische Aussagen (ORF)
BUTSCHA: LUFT- & SATELLITENAUFNAHMEN LIEFERN ERDRÜCKENDE BEWEISE FÜR DAS MASSAKER: BEWEISE FÜR RUSSLANDS BUTSCHA-VERBRECHEN SIND ERDRÜCKEND (Volksverpetzer)
Faktenchecks bestätigen russisches Massaker in Butscha (Tagesschau Südtirol, RAI Italia)
Beitrag zum Massaker von Butscha auf Wikipedia.
Daniele Ganser lässt auch komplett unter den Tisch fallen, dass Interviews sehr oft nicht integral gesendet, sondern vorher geschnitten werden. Interviews entstehen in einem bestimmten Kontext. Könnte ja sein, dass der Bürgermeister das Massaker erwähnt hat, diese Passage aber herausgeschnitten wurde. Das wäre vor allem bei russischen Medien, die Ganser bevorzugt, ja noch naheliegend…Filmbeiträge können auch kopiert und in andere Kanäle und Kontexte verpflanzt werden. Und das ganze Ausmass des Massakers wurde auch erst nach und nach entdeckt…
Als Reporter vor Ort könnte man den Bürgermeister vielleicht kontaktieren und nachfragen – SRF, ORF, ARD, Spiegel, Welt und viele Nachrichtenagenturen haben Reporterinnen und Reporter vor Ort, die ukrainisch oder russisch sprechen und solche Aussagen überprüfen und einordnen können. Ganser spricht weder ukrainisch noch russisch und war offensichtlich noch nie in der Ukraine. Er masst sich ein Urteil an vom Sofa aus und auf der Basis eines Video-Schnipsels, das gerade in sein Weltbild passt.
Thomas Dudek schreibt auf „zdfheute“:
„Erst am 1. April wurden die ersten Informationen und Bilder von Toten publik, was Verschwörungstheoretiker wie Daniele Ganser als Beleg deuten, dass es sich bei dem Massaker in Butscha um kein russisches Kriegsverbrechen handeln könne. Dabei ist die russische Verantwortung von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, den ukrainischen Untersuchungsbehörden, internationalen Organisationen und Recherchen von Journalisten, die unter anderem Satellitenbilder auswerteten, mittlerweile sehr gut belegt. Auch ein russischer Deserteur, der laut eigener Aussage der in Butscha stationierten 64. selbstständigen motorisierten Schützenbrigade angehörte, bestätigte im Dezember diese Verbrechen gegenüber ausländischen Medien.“
Fazit:
Daniele Ganser spielt die Rolle des Wissenschaftlers geschickt, agiert aber voll und ganz als Demagoge, stellt sich mit freundlicher Mine an die Seite des imperialistischen russischen Aggressors und tritt damit die Opfer des Butscha-Massakers mit Füssen. Es ist ungeheuerlich, diese Verbrechen vollkommen faktenwidrig der Ukraine in die Schuhe zu schieben. Ganser dämonisiert damit die ukrainischen Behörden und/oder die ukrainische Armee. Er unterstellt, dass sie die eigene Zivilbevölkerung abschlachten und delegitimiert damit ihren Abwehrkampf.
Tiefer kann ein Mensch, der sich selbst «Friedensforscher» nennt, kaum sinken. Das Hauptproblem ist aber nicht Daniele Ganser selbst. Es sind die Kreise, die sich von ihm kritiklos mit Propaganda füttern lassen und fundierte Informationen zum Thema nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Hier entwickelt sich ein Stammesdenken, das sich zunehmend abschottet (siehe dazu: Tribalismus) und in eine Parallelwelt abdriftet. Daniele Ganser ist eine Einstiegsdroge in diese Parallelwelt.
Quellen:
Auf allen Kanälen: Daniele Gansers Safe Space (WoZ)
https://twitter.com/marko_kovic/status/1623724209397501952 (Video-Statement Ganser)
https://twitter.com/marko_kovic/status/1623724189600387073 (ganzer Thread von Marko Kovic)
Erster Jahrestag von Butscha: Kriegsverbrechen mit weitreichenden Folgen (ZDF)
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