Der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser wollte einen Vortrag in der Meistersingerhalle in Nürnberg halten zum Thema «Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?». Nach breitem Widerstand hat die Stadt Nürnberg den Vortrag abgesagt.
Der Schweizer Historiker hat keine besondere Expertise für die Ukraine und deutet den russischen Angriffskrieg einseitig aus einer durch seinen Antiamerikanismus geprägten Perspektive. T-online schreibt dazu:
«Wer sich mit Ganser auseinandersetzt, merkt schnell: Er sieht einen großen Teil der Schuld bei den USA. In seinem Ankündigungstext für die Veranstaltung in Nürnberg kommen die Vereinigten Staaten sechsmal vor – Russland dagegen nur in diesem einen Satz: „Zusammen mit Russland, China, Frankreich und Großbritannien haben die USA einen ständigen Sitz im UNO Sicherheitsrat.»
Die Meinungsfreiheit lässt zwar auch einseitige Äusserungen, Falschbehauptungen und Verschwörungstheorien zu, wie sie von Daniele Ganser verbreitet werden. Sie garantiert allerdings nicht, dass man damit für einen Vortrag jede Plattform bekommen kann. Deshalb formiert sich in vielen Städten Deutschlands Widerstand gegen Gansers Auftritte.
Widerstand gegen Vortrag in vielen Städten
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) sagte den „Nürnberger Nachrichten“:
„Auch in einem demokratischen Staat, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt, müssen die demokratischen Räume verteidigt werden. Verschwörungsideologen verfolgten nur das eine Ziel, die Gesellschaft zu spalten, um schlussendlich die Demokratie zu zerstören.“
Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) sagte Ludwig Spaenle:
«Herr Ganser nennt sich Publizist und Historiker, aber er ist ein Agitator, der im Dunstfeld der gängigen Verschwörungstheorien agiert, im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eine einseitige Russland-blinde Form der Argumentation findet und sich in rechtslastigen bis rechtsextremen Kreisen bewegt.»
Ganser ist «kein harmloser Verschwörungsunterhalter»
Julia Obertreis, Osteuropaexpertin der Uni Erlangen, nennt Ganser in den „Nürnberger Nachrichten“ ein „Ein-Mann-Unternehmen“, das „grundlegende Fakten wie die Aggression Russlands gegen die Ukraine und das Leid und Sterben der ukrainischen (Zivil)Bevölkerung“ ignoriere. Und Jo-Achim Hamburger von der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg wirft Daniele Ganser vor, er relativiere die Verbrechen der Nazis und den Holocaust – „und deswegen ist dieser Mensch auch kein harmloser Verschwörungsunterhalter“.
Nachdem schon die Westfalenhallen in Dortmund dem als Verschwörungstheoretiker verschrienen Historiker den Auftritt in ihren Räumlichkeiten untersagt hatten, hat nun auch die Stadt Nürnberg eingegriffen: Daniele Ganser darf mit seinem Vortrag nicht in der Meistersingerhalle auftreten.
Die Meistersingerhalle gehört als Kulturstandort der Stadt Nürnberg, weshalb die Entscheidung über Gansers Auftritt auch im Rathaus lag. „Oberbürgermeister Marcus König hat sich entschieden, dass der Vertrag mit Daniele Gansers Agentur gekündigt werden soll“, erklärte ein Sprecher der Stadt Nürnberg auf Anfrage von t-online.
Man habe im Rathaus die Vorgänge, die zu der Absage in Dortmund geführt hatten, aufmerksam verfolgt, führte der Sprecher weiter aus: „Ebenso wie in Dortmund möchten auch wir nicht, dass Daniele Ganser bei uns auftritt.“
Dass der Vortrag in Nürnberg nicht stattfindet, wurde inzwischen von verschiedenen Seiten begrüsst. Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion, kommentierte, das sei das richtige Signal für die Demokratie und die Menschenrechte.
Auch der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Jo-Achim Hamburger äusserte sich positiv überrascht, dass dies rechtlich möglich sei. Der Ort, die Meistersingerhalle und deren Nähe zum ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände habt seiner Einschätzung nach dazu beigetragen, dass die Stadt sagte, ein solcher Auftritt sei ein „No-Go“ in Nürnberg.
Quellen:
Daniele Ganser darf nicht in der Meistersingerhalle auftreten (t-online)
Umstrittener Historiker in Nürnberg
Widerstand gegen Vortrag von Daniele Ganser (t-online)
Stadt Nürnberg sagt Auftritt von Daniele Ganser ab (Bayerischer Rundfunk)
Ergänzungen:
Dass sein Vortrag von der Stadt Nürnberg abgesagt wurde, wird Daniele Ganser nicht schaden. Er bewirtschaftet schon seit Jahren seine Opferrolle als angeblich unterdrückter Freiheitskämpfer und selbsternannter Friedensforscher. Damit lässt sich die breit angelegte fachlich-historische Kritik an seinen Äusserungen elegant abbügeln.
Widerspruch gegen den Auftritt des selbsternannten «Friedensforscher» gab es bisher zum Beispiel auch hier:
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Ärger um Ganser-Vortrag in Bensheim
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