Der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser vergleicht sich nun schon mit Sophie Scholl. Damit bewirtschaftet er noch intensiver als bisher seine angemasste Opferrolle und inszeniert sich als Freiheitskämpfer. Dass er als studierter Historiker derart abwegige Vergleiche zieht, spricht Bände.
Sophie Scholl (1921 – 1943) war Mitglied der Widerstandsgruppe «Weisse Rose», die vor allem mit Flugblättern gegen die nationalsozialistische Diktatur, gegen Hitlers Angriffskrieg und gegen die Massaker an Jüdinnen und Juden Stellung nahm. Sophie Scholl wurde zusammen mit anderen Mitgliedern der «Weissen Rose» vom Nazi-Regime zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Daniele Ganser wird in einem aktuellen Interview gefragt, wie er trotz der gegen ihn erhobenen Vorwürfe mutig bleiben könne. Antwort:
„Der Mut braucht unbedingt die Wahrheit als Stütze. Sophie Scholl hat sich im ‚Dritten Reich‘ gegen Hitler gewendet. Sie haben gesagt, dieser Krieg ist einfach ein Wahnsinn. (…) Sie hatten die Wahrheit auf ihrer Seite, der Krieg war auch damals ein Wahnsinn, wurden dann aber festgenommen und wurden enthauptet. Auch wenn du die Wahrheit auf deiner Seite hast, kann es sein, dass du getötet wirst.“ (1)
Daniele Ganser ist kein plumper, sondern im Gegenteil ein subtiler Demagoge. Er sagt nicht: «Seht her, mir geht es genauso wie Sophie Scholl.»
Er wird zu seiner Person gefragt, und antwortet mit Sophie Scholl. Im Interview geht es ja nicht um Sophie Scholl, sondern um ihn. Er verbindet seine Person so mit Sophie Scholl, ohne es direkt auszusprechen.
Ganser verbindet seine Person mit Sophie Scholl
Diesen «Trick» wendet Daniele Ganser nicht zum ersten Mal an. T-online schreibt dazu:
«Ganser inszeniert sich bei seinen Auftritten oft und gerne als Opfer der von ihm so bezeichneten „Mainstreammedien„. Dabei scheut er keinen Vergleich. So sieht er sich in der Tradition der berühmten Geschwister Hans und Sophie Scholl, die durch den Widerstand der Weißen Rose gegen das NS-Regime bekannt sind – und die im Kampf für den Frieden ihr Leben verloren. 2017 sagte er dem Verschwörungs-Blog „Nachdenkseiten“: „Friedensforscher und Friedensaktivisten“ – und damit meint Ganser auch sich selbst – „die sich aktiv gegen Gewalt und Kriegspropaganda aussprachen, wurden immer wieder angegriffen. Hans und Sophie Scholl von der Friedensbewegung Weiße Rose wurden enthauptet. Warum? Weil sie 1943 in der Universität München Flugblätter gegen die Hitler-Diktatur und gegen den Krieg verteilten.“» (2)
So schlimm sei es heute jedoch nicht mehr, schränkt Ganser immerhin ein:
„Jemand, der auch in der Friedensforschung aktiv ist, hat mir kürzlich gesagt: ‚Weißt Du, sie können uns gar nicht mehr alle umbringen, wir sind zu viele.‘ Sie können uns jetzt nur noch diffamieren, und auch dieses Spiel wird immer mehr durchschaut.“ (2)
Wie Ganser darauf kommt, dass irgendwer ein Interesse haben könnte, Friedensaktivisten zu töten? Diese Antwort bleibt der selbsternannte Friedensforscher schuldig – und der interviewende Blogger hakt auch nicht mehr nach.
Hingegen wurden in Russland – dem Daniele Ganser mit der Verbreitung von Kreml-Propaganda zu dient – seit Jahren eine ganze Reihe von kritischen Journalistinnen und Journalisten umgebracht (zum Beispiel Anna Politkowskaja).
Gansers Nebelkerzen
Jedenfalls lassen sich entgegen den Nebelkerzen, die Daniele Ganser hier wirft, schon ein paar relevante Unterschiede zwischen ihm und Sophie Scholl feststellen:
Daniele Ganser läuft im Gegensatz zu den Mitgliedern der «Weissen Rose» nicht Gefahr, umgebracht zu werden. Er wird nur kritisiert für seine verzerrten Darstellungen und es wird diskutiert, ob man einem solchen Demagogen eine Bühne gegen soll.
Daniele Ganser verdient mit seinen Aktivitäten auch ziemlich viel Geld, während Sophie Scholl ihr Engagement nicht als Geschäftsmodell betrieben hat.
Sophie Scholl hat sich zudem gegen Angriffskrieg und Völkermord engagiert. Sie stand auf der Seite der Opfer, während Daniele Ganser propagandistisch auf der Seite des imperialistischen Aggressors agiert.
Daniele Ganser vergleicht sich in seinen Vorträgen im Übrigen auch gern mit Galileo Galilei, weil auch dieser verfolgt wurde und seine Forschung unterdrückt wurde, nur weil er die Wahrheit über Erde und Sonne herausgefunden habe. Selbst der Bürgerrechtler Martin Luther King muss für Gansers schiefe Vergleiche herhalten: Weil er erschossen wurde, nachdem auch er nur die Wahrheit gesagt hatte.
Daniele Ganser weiss natürlich, dass seine Situation nicht im Entferntesten mit derjenigen von Sophie Scholl vergleichbar ist. Aber sich in ihre Nähe stellen, um von ihrem Glanz als Widerstandkämpferin etwas abzubekommen, diese Möglichkeit lässt er sich nicht entgehen.
Quellen:
Ganser schockt mit Sophie-Scholl-Vergleich (T-online, Zitat 1)
„Verschwörungsunternehmer“ – Darum ist Daniele Ganser so gefährlich (T-online, Zitat 2)
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