Extremismus-Fachstellen haben seit Jahren viel zu tun mit Islamismus und Rechtsextremismus. Nun melden sich bei den Fachleuten für Radikalisierung immer mehr Angehörige von Leuten mit Corona-Verschwörungstheorien.
SRF hat mit Laurent Luks gesprochen, dem Leiter der Fachstelle für Radikalisierung und Gewaltprävention der Stadt Bern.
Vor der Pandemie seien es insbesondere Fachpersonen aus Schulen und Unternehmen, oder Angehörige gewesen, die sich um junge Betroffene sorgten. «Jetzt bei Covid und den Verschwörungstheorien hat es gedreht», erklärt Luks. Nun würden sich vor allem junge Erwachsene wegen ihrer Eltern bei der Fachstelle melden. Es betreffe auch Freunde, Onkel, Tanten – in der Regel ältere Leute.
Die Extremismus-Fachstellen beraten dabei in der Regel das Umfeld der Betroffenen und nicht sie selbst: «Wer an Verschwörungstheorien glaubt, merkt selbst nicht, dass er oder sie ein Problem hat», sagt Luks.
Es dauere jedoch oft länger, bis sich die Angehörigen bei der Fachstelle melden würden. «Es ist ein Prozess, bis eine Person tief im Verschwörungsglauben steckt.» Als Angehöriger merke man schon, dass sich etwas verändere, «aber es ist ja immer noch meine Mutter oder mein Vater», sagt Laurent Luks. Irgendwann komme man jedoch nicht mehr an die Person heran. Weil das Thema mit Scham behaftet sei, würden viele jedoch nicht offen darüber sprechen, Deshalb suchten sie schliesslich bei der Fachstelle um Hilfe – allerdings oft recht spät.
Am Telefon schildern die Anruferinnen und Anrufer dann ihre Erlebnisse mit ihren Angehörigen. Sie sagen zum Beispiel: «Sie beleidigen mich, finden alles schlecht, was ich mache. Ich sei ein blindes Huhn, das die Wahrheit nicht erkenne.»
Derartige Vorwürfe an besorgte Angehörige bekomme er oft zu hören, erklärt Luks. Ein Muster, wer an solche Verschwörungstheorien glaubt, gibt es seiner Erfahrung nach nicht: «Es spielt keine Rolle, welches Bildungsniveau jemand hat.»
In Kontakt bleiben
Was man als Angehöriger tun könne, komme darauf an, wie tief der betroffene Mensch in diesem Sumpf stecke: «Wenn sie noch Zweifel hat, kann man sie mit einigen Fragen noch in eine Diskussion verwickeln.»
Falls das jedoch nicht mehr möglich ist, könne man auf der emotionalen, persönlichen Ebene versuchen, mit der Person in Verbindung zu bleiben. Das sei entscheidend, damit die Person nicht noch mehr abdriftet.
Dabei gelte es Grenzen zu ziehen und Vereinbarungen zu treffen. Dass man sich beispielsweise zwar treffe, gewisse Themen jedoch meide. «Wir hatten auch einen Sohn, der den Kontakt zu seiner Mutter ganz abgebrochen hat, weil er sich selbst schützen musste», sagt Luks.
Extremismus-Fachstellen in der Schweiz
In der Schweiz sind in den letzten Jahren mehrere Extremismus-Fachstellen entstanden. Das erste Präventionsangebot dieser Art baute vor fünf Jahren die Stadt Winterthur auf. In einer Zwischenbilanz von Ende Oktober 2021 meldete diese Fachstelle eine Zunahme von Fällen im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien.
Die Fachstelle werde ihren Fokus daher in Zukunft noch stärker auf diesen Bereich legen, denn die Grenzen zwischen den verschiedenen Formen des Extremismus würden sich immer mehr verwischen.
Hier die Links zu den Extremismus-Fachstellen der Schweiz:
Extremismus-Fachstelle Stadt Biel
Radikalisierungs-Fachstelle Stadt Bern
Extremismus-Fachstelle Stadt Winterthur
Extremismus-Fachstelle Kanton Zürich
Quelle:
Extremismus-Fachstellen haben wegen Corona-Leugnern viel zu tun (SRF)
Ausserdem:
Die Arbeit der Extremismus-Fachstellen insbesondere mit Angehörigen oder Personen im weiteren Umfeld von Verschwörungsgläubigen ist sehr wichtig.
Siehe auch:
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