In Österreich wurde der aktuelle Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen veröffentlicht. Darin lässt sich erkennen, dass die COVID-19-Pandemie, die in allen gesellschaftlichen Bereichen ihre Spuren hinterlassen hat, maßgeblich zur weiteren Verbreitung von Verschwörungstheorien beigetragen hat.
Im Fokus der Beratungsgespräche standen der hohe Leidensdruck von Angehörigen, die bislang noch nie dagewesene Allgegenwärtigkeit des konspirationistischen Themas und der Mangel an Erfahrung, wie diesem zu begegnen wäre.
Verschwörungstheorien: Vom Randphänomen zu einem neuen Arbeitsschwerpunkt
Wegen der Corona-Krise und der starken Zunahme an Verschwörungstheorien entwickelte sich die Medienbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich zu einem neuen Arbeitsschwerpunkt der Bundesstelle. Bereits im Frühjahr 2020 entwickelten sich Verschwörungstheorien von einem Randphänomen zu einem medial und gesellschaftlich stark präsenten Thema. Fehlinformationen und Fake News haben sich gemäss dem Bericht vor allem über Social Media wie ein Lauffeuer ausgebreitet und für massive Konflikte in Familien, Freundeskreisen und im beruflichen Umfeld gesorgt.
Die Expertinnen und Experten der Bundesstelle schätzten viele der Verschwörungstheorien von ihren Inhalten her als ausgesprochen extrem und irrational ein.
Beispielsweise wurde behauptet, dass die Erde hohl sei und von Echsenwesen bewohnt werde, die die Herrschaft auf der Erde an sich reissen wollten oder dass Bill Gates die Pandemie in Auftrag gegeben hätte, um den Menschen mit der anschließenden Corona-Impfung einen Mikrochip zu implantieren, der sie zu willenlosen Befehlsempfängern machen soll.
Warnungen vor Katastrophen
Oft wurden Warnungen verbreitet vor einer angeblich bevorstehenden Katastrophe wie einem Wirtschaftszusammenbruch, einem Militärputsch, dem Jüngsten Gericht mit der Wiederkehr von Jesus Christus oder einem weltweiten Stromausfall. Häufig wurden dazu sogar konkrete Termine verkündet. Das Nichteintreffen dieser Voraussagen schien keinen Einfluss auf die Gläubigen zu haben. Anweisungen wurden ausgegeben, wie man sich auf solche Szenarien vorbereiten soll. Und dass man Angehörige, Freundinnen und Freunde vor diesen Katastrophen warnen müsse. Das führte in Familien in der Folge zu Konflikten, wenn zum Beispiel ein Angehöriger Lebensmittel, Treibstoff oder Waffen hortete, Geldbestände in Gold oder virtuelle Währungen wechselte und das auch von den anderen verlangte (siehe dazu auch: Prepper & Verschwörungstheorien).
Häufig wurde auch auf die QAnon-Erzählung verwiesen, die vorher in Österreich fast unbekannt war. Gemäss dieser Verschwörungstheorie sollen unter anderem angeblich mächtige satanistische Netzwerke Kinder entführen und quälen, aus deren Blut würde dann Adrenochrom gewonnen. Dieses Adrenalin-Stoffwechselprodukt soll als Verjüngungsmittel für Hollywood und andere Eliten eingesetzt werden (dafür fehlt jede faktische Grundlage).
Donald Trump ist gemäß dieser QAnon-Erzählung eine Art messianische Erlöserfigur. Er wird gegen die Mächte des angeblichen „Deep State“ auftreten und eine Befreiungsaktion durchführen. Das sind jene Netzwerke, die angeblich den Staat unterwandert haben.
Einflüsse der Esoterik auf Verschwörungstheorien
Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie zeigten sich weite Teile der Esoterik medizin- und impfkritisch. Diese Entwicklung erreichte während der Pandemie einen neuen Höhepunkt.
Viele Menschen, die sich mit der Querdenker-Bewegung identifizierten oder in deren Umfeld mit dem Verweigern von Testungen und Schutzmaßnahmen auffielen, gehörten auch zur Esoterik-Szene. Darüber hinaus traten auch rechtsextreme Bewegungen, InfluencerInnen bzw. AktivistInnen verstärkt bei Querdenker-Demonstrationen auf. Dort verbreiteten sie auch verschwörungstheoretische Inhalte.
Viele Inhalte populärer Verschwörungstheorien sind offen oder versteckt antisemitisch eingefärbt. Etablierte Medien wurden in diesem Umfeld oft als „Lügenpresse“ diffamiert.
Kinder und Jugendliche im Fokus
Ebenso wie im Vorjahr wurde im Bericht erneut ein spezielles Augenmerk auf die Situation von Kindern und Jugendlichen gelegt. Sie können durch ihr Umfeld mit religiösen oder weltanschaulichen Ideologien oder Vorstellungen in Kontakt kommen, die ihre Rechte beschneiden oder ein sicheres Aufwachsen und eine Partizipation in der Gesellschaft behindern oder einschränken.
Eltern vermitteln extreme politische oder weltanschauliche Ansichten meist auch an ihre Kinder. Wenn wenig Kontakte außerhalb des sozialen Umfeldes der Eltern stattfinden und auch der Schulbesuch umgangen wird, können Kinder und Jugendliche in einer Art Parallelwelt aufwachsen, deren Werte und Regeln nicht selten im Gegensatz zu einer liberalen modernen westlichen Gesellschaft stehen. Das kommt auch im Kontext von Corona-Verschwörungstheorien vor.
Quelle:
Sektenbericht: Corona-Krise beflügelt Verbreitung von Verschwörungstheorien (Parlament Republik Österreich)
Ausserdem:
Zum Thema Verschwörungstheorien im Umfeld der Familie: