Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretiker treten oft mit Prophezeiungen an die Öffentlichkeit. Nun sind Prophezeiungen bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Folgerichtig schlagen Prophezeiungen der Verschwörungsgläubigen am laufenden Band fehl.
Beispiele für fehlgeschlagene Prophezeiungen
Beispiele für fehlgeschlagene Prophezeiungen von Verschwörungsgläubigen gibt es zuhauf:
☛ QAnon-Prophezeiungen
In der QAnon-Szene drehen sich die Prophezeiungen um den Heilsbringer Donald Trump. Immer wieder werden Daten genannt, an denen Trump wiedereingesetzt werden soll, durchgreift, die führenden Demokraten verhaftet. Treten die Prophezeiungen nicht ein, finden die Fans immer eine Begründung («Trust the plan!»). Vertraue dem Plan, Trump hat alles im Griff…
☛ Attila Hildmann als Prophet
Der Vegan-Kochbuchautor und Verschwörungsideologe Attila Hildmann kündigte einen Volksaufstand im Frühjahr an: Am 6. Mai werde sich das deutsche Volk „erheben“, und zwar am späten Nachmittag vor dem Bundestag. Für den 15. Mai prophezeite Hildmann das Ende der Demokratie und die Errichtung einer Weltdiktatur inklusive der Eröffnung von Konzentrationslagern. Für den Spätsommer kündigte er eine Demonstration mit „zwei Millionen Patrioten“ an. Mitte Mai beeindruckte er seine Anhängerinnen und Anhänger mit der martialischen Ankündigung: „Ab heute lebt Attila Hildmann im Untergrund … Gehe ich im Kampf für unsere Freiheit drauf, dann nur mit Waffe in der Hand und erhobenen Hauptes.“ Schliesslich sagte Hildmann die Errichtung der Weltdiktatur für den 18. November voraus. Weil gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt, ist Hildmann inzwischen in die Türkei geflüchtet und wohnt dort in Luxusunterkünften.
☛ Michael Wendler als Prophet
Der Schlagersänger Michael Wendler prophezeite mehrfach, Donald Trump werde den Wahlbetrug doch noch aufdecken, Joe Biden habe keine Chance – wer anderes behaupte, habe keine Ahnung oder lüge. Kurz vor Trumps Abgang gab sich der Sänger noch siegesgewiss: „Der Vulkan bricht bald aus in den USA“, schrieb er in Großbuchstaben auf Telegram. In unmittelbarer Zukunft werde in Washington „etwas Gewaltiges passieren“, womit er jedoch nicht die Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden gemeint hat. Wendler verbreitet einen Artikel, in dem angekündigt wird, Trump werde sehr bald einschreiten und seine Feinde vor Militärtribunale stellen: „Einige werden dafür mit ihrem Leben bezahlen.“
Was machen Verschwörungsgläubige mit fehlgeschlagenen Prophezeiungen?
Man würde ja denken, dass fehlgeschlagene Prophezeiungen die Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien zur Vernunft bringen würden und ihnen klarmacht, dass sie falschen Propheten nachgelaufen sind. Aber das ist alles andere als gewiss.
Das Phänomen ist auch von Sekten bekannt:
Die Zeugen Jehovas und ihre Vorläufer, die „Ernsten Bibelforscher“, prophezeiten unter anderem für 1874, 1914 und 1925 den göttlichen Gerichtstag voraus. An diesem Tag sollten alle ungläubigen Menschen restlos ausgelöscht werden.
Weil zum angekündigten Datum gleichzeitig nicht nur Jesus, sondern auch Moses, Noah, Abel, Abraham und Isaak als reale Menschen auf die Erde zurückkommen sollten und dann einen Ort zum Wohnen bräuchten, bauten die Anhänger in Kalifornien eine riesige Villa. Als der göttliche Gerichtstag sich nicht einstellte, zog stattdessen der Sektenchef ins Gebäude. Nach weiteren unerfüllten Prognosen gehen die Zeugen Jehovas inzwischen davon aus, dass die Wiederkunft Christi schon stattgefunden hat, allerdings nur im Himmel.
Der US-amerikanische Soziologe Leon Festinger hat dieses Phänomen bereits vor 70 Jahren am Beispiel einer Chicagoer Endzeit-Sekte namens „Die Suchenden“ untersucht. Die Gruppe war davon überzeugt, die Erde gehe unter, man selbst werde aber kurz vorher, in der Nacht zum 21. Dezember 1954, von Außerirdischen abgeholt und per Raumschiff in Sicherheit gebracht.
Als das Ufo nicht erschien, setzte sich unter den Anhängern die Ansicht durch, es müsse drei Tage später – an Heiligabend – auftauchen. Als auch da nichts passierte, verkündete die Sektenführerin, die Gläubigen hätten durch intensive Gedanken den Planeten vorm Untergang bewahrt, die Außerirdischen hätten nun keinen Grund mehr für ihre Rettungsaktion.
Quelle:
Falsche Prognosen am laufenden Band – die lausige Trefferquote der Verschwörungsideologen (Tagesspiegel)
Anmerkung:
Wenn Anhängerinnen und Anhänger trotz fehlschlagender Prophezeiungen an ihrem Glauben festhalten, hängt das häufig zusammen mit den hohen «Investitionen», die sie in diesen Glauben getätigt haben. Je mehr Geld, Zeit und Energie sie eingesetzt haben, je mehr sie sich in ihrem Umfeld exponiert und vielleicht sogar zerstritten haben, desto weniger werden sie bereit sein, den Irrtum einzusehen. Die «Investition» ist einfach zu gross, als dass sie mir nichts dir nichts aufgegeben werden könnte. Dieses Phänomen nennt sich Sunk costs («Versunkene Kosten»).