«Wieviel Verfolgungswahn geht in einen Kopf?», fragt Nikolaus Blome in einer Kolumne für den «Spiegel».
Das Wort «Verfolgungswahn» ist zwar im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien nicht unproblematisch, weil es eine psychiatrische Störung nahelegt. Davon sollte man im Umgang mit Verschwörungstheorien in der Regel nicht ausgehen.
Der Autor beschreibt allerdings ein Phänomen, das seine Empörung nachvollziehbar erscheinen lässt:
«Zum dritten Mal in sieben Jahren stellt sich die Frage, wie man diese Menschen erreicht, die alle menschliche Mäßigung fahren lassen. Flüchtlinge, Corona und nun Inflation oder »Wutwinter«: Es mehren sich die Hinweise, dass es stets dieselben sind, die da am lautesten krakeelen, nicht nur im Osten des Landes. Das macht es einfacher und schwerer zugleich. Einfacher, weil man die Pappenheimer inzwischen kennt und ihr Weltbild nicht neu kartografieren muss. Schwerer, weil die Betroffenen nach eigenen Angaben zunächst Sorge hatten, »umgevolkt«, dann beim Impfen »gechipped« und jetzt enteignet zu werden, obwohl die Ukraine doch Russland angegriffen habe. Wie viel Verfolgungswahn geht in einen einzelnen Kopf? Sollte man es also nicht gleich lassen mit der Ansprache?»
«Verfolgungswahn» psychiatrisiert unnötigerweise
Verschwörungstheorien mit Begriffen sie «Verfolgungswahn» in die Nähe der Psychiatrie zu rücken, ist nicht sinnvoll. Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretiker sind in der Regel nicht psychiatrisch krank. Das Phänomen, dass oft dieselben Verschwörungsgläubigen zuerst mit Verschwörungstheorien zur Flüchtlingskrise daherkommen («Grosser Austausch»), dann mit der «Corona-Diktatur», Bill Gates und der «Corona-Verschwörung», und nun mit Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg, ist allerdings schon sehr eindrücklich.
Wer einmal ernsthaft die verschwörungstheoretische Brille aufgesetzt hat, sieht Verschwörungen, wo immer er auch hinblickt. Und es stellt sich die Frage, was es braucht, damit jemand wieder aus diesem Kaninchenbau herausfindet. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.
Quelle:
»Wutwinter«-Proteste: Solche Bürger sind nicht besorgt, sondern bescheuert (Spiegel online)
Siehe auch:
Was sagt ein Vertreter der Psychiatrie zu Verschwörungstheorien?
Paranoia & Verschwörungstheorien
Ukraine-Krieg: Verschwörungsgläubige sehen die Schuld seltener bei Russland
Umfrage erfasst Verschwörungstheorien zum Ukraine-Krieg
Zum Umgang mit Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien in der Familie – vier Tipps
Was tun, wenn Familienmitglieder in Verschwörungstheorien versinken?