Metaphorik ist die Kunst, Metaphern zu bilden und zu gebrauchen. Metaphern sind rhetorische Stilmittel, die sich hauptsächlich über Sprachbilder ausdrücken. Dabei kommt ein Bild zum Einsatz für etwas, das die Zuhörenden verstehen sollen. Komplexe Zusammenhänge können so vereinfacht dargestellt werden. Zuhörende glauben dadurch leicht, dass sie verstanden haben, worum es geht. Allerdings machen sie sich dabei nicht selten etwas vor.
Wer die letzte Team-Sitzung als «Kindergarten» bezeichnet, verwendet eine Metapher. Alle, die in diesem Kontext das Wort «Kindergarten» fallen hören, haben sofort und ohne weitere Erklärungen eine Vorstellung dieser Teamsitzung. Wobei diese Vorstellungen je nach Vorerfahrung durchaus unterschiedlich ausfallen können. Wer eine andere Person lobt, sie habe «den Nagel auf den Kopf getroffen», verwendet eine Metapher, die von vielen Menschen verstanden wird. Doch auch hier gibt es eine grosse Bandbreite dessen, was denn genau damit gemeint ist – zum Beispiel, was «Nagel» in diesem konkreten Fall bedeutet.
Metaphern spielen auch in Verschwörungstheorien eine wichtige Rolle
Ein wichtiges Charakteristikum von Verschwörungstheorien ist das dualistische, manichäische Weltbild, das sich in ihnen zeigt. Es ist geprägt durch eine starke Spaltung in Gut und Böse. Viele Verschwörungsgläubige meinen, einem Konflikt zwischen dem absolut Bösen, den Verschwörern, und dem absolut Guten, deren Opfern, auf der Spur zu sein. Den vermeintlichen Bösewichten werden dementsprechend in zahlreichen Texten in metaphorisch aufgeladener, zuweilen apokalyptischer Sprache ausschliesslich negative Eigenschaften zugeschrieben. Über lange Zeit war der Teufel eine solche Metapher. Im Verlauf der Geschichte wurden zum Beispiel «Hexen», Juden, «Zigeuner», Illuminaten und Freimaurer mit dem Teufel in Verbindung gebracht und damit wortwörtlich verteufelt. Aber solche Vorstellungen sind nicht einfach von gestern. Michael Butter beschreibt, dass der Verschwörungsideologe Alex Jones im US-Wahlkampf 2016 behauptete, Hillary Clinton und Barack Obama seien Dämonen. Das erkenne man an den Fliegen, von denen sie so häufig umgeben seien, und sie röchen nach Schwefel.
Sind die Mitglieder der angeblichen Verschwörung dagegen auch im Inneren des Landes zu finden, bedienen sich Verschwörungsgläubige oft der Sprache der Infektion und der Ansteckung. So werden dann beispielsweise die Taten der Illuminaten mit den Verheerungen der Pest verglichen. Und in den USA konnte man sich laut FBI-Chef J. Edgar Hoover (1895 – 1972) mit dem Marxismus infizieren. Nach den Auffassungen von manchen Verschwörungstheoretikern ist die grosse Masse der Menschen in akuter Gefahr, sich von gewissen Ideen anzustecken, weil sie völlig unwissend durch die Welt läuft. Historisch waren das zum Beispiel Ideen der Aufklärung, Ideen der Jesuiten, der Freimaurer…
Freiheit und Sklaverei
Das kann soweit gehen, dass die Opfer der Verschwörung als vollkommen versklavt aufgefasst werden. Der verschwörungstheoretisch konstruierte Gegensatz zwischen Freiheit und Sklaverei strukturiert zahlreiche konspirationistische Texte, vor allem in den USA. So wandte sich der Verschwörungsideologe Alex Jones im Herbst 2015 im Verlauf eines Interviews mit Donald Trump im Rahmen seiner Sendung direkt ans Publikum und fragte: «Wollt ihr frei sein oder wollt ihr Sklaven sein?»
In der Coronakrise taucht diese Fantasie in der Form auf, dass Geimpfte zu ferngesteuerten Robotern mutieren, die von Bill Gates gelenkt werden.
Aufwachen und Schlafen als Metaphern
Die Metaphern des Aufwachens und Schlafens sind von grosser Bedeutung im Kontext der Verschwörungstheorien. Die breite Masse als blind oder schlafend hinzustellen, dient der Betonung ihrer Unwissenheit und Naivität. So kommt es zu Appellen wie: «Augen auf!» oder «Es ist höchste Zeit aufzuwachen». Verschwörungsgläubige sehen sich deshalb nicht selten als «Aufgewachte». Wer ihre Ansichten nicht teilt, gilt dagegen als «Schlafschaf». Diese Metaphorik kreiert einen scharfen Gegensatz zwischen den normalen Menschen und den wenigen Mutigen, die versuchen aufzuklären und dafür Anfeindungen erleiden müssen. In Anlehnung an den Film «Matrix» vergleichen Verschwörungsgläubige dem Moment des «Aufwachens» mit dem Schlucken der «Roten Pille» (Redpilling). Wer weiter schlafen will schluckt in diesem Entscheidungsmoment dagegen die «Blaue Pille» (Bluepilling).
Theatermetaphern
Im Kontext von Verschwörungstheorien kommen oft Theatermetaphern zum Zug. Gern verwendet wird dabei die Metapher vom Marionetten-Theater (Puppen-Theater). Damit werden die Strippenzieher angesprochen, die als Verschwörer hinter der Bühne angeblich die Fäden ziehen. Angeprangert werden mit diesem Sprachbild aber auch diejenigen, die sich von den angeblichen Verschwörern gegen ihren Willen oder freiwillig als Marionetten manipulieren lassen.
Wer genau die Marionetten- oder Puppenspieler sein sollen, die im Hintergrund die Fäden ziehen, wird häufig nicht genauer beschrieben. Verschwörungstheorien über Juden, Freimaurer und Illuminaten verwenden diese «Marionettenspiel-Metapher» aber schon seit Jahrhunderten. Aber auch eine gegenwärtige Propagandistin wie Eva Hermann schreibt in einem Text zur Flüchtlingskrise vom «Brüsseler Marionettentheater». Im Internet finden sich zudem viele Videos, die beweisen wollen, dass Barack Obama in Wirklichkeit eine Marionette der Neuen Weltordnung (NWO) ist. In einem seiner Lieder singt der Verschwörungstheoretiker und Popsänger Xavier Naidoo über «Marionetten» und «Puppenspieler», für die die Bevölkerung nur «Sachverwalter» und «Steigbügelhalter» seien. Der Mainzer Sozialpsychologe Roland Imhoff hat die Liedtexte folgendermassen kommentiert:
«Typisch für Verschwörungstheorien ist, dass behauptet wird, es gebe eine vordergründige Wirklichkeit, die aber nur dazu dient, zu verschleiern, dass hinter den Kulissen in Wirklichkeit Ungeheuerliches geschieht. Dunkle Mächte agieren im Hintergrund und ziehen die Fäden, so wie hier die Puppenspieler.»
Antisemitische Metaphern
Antisemitische Metaphern sind derart stark in die Alltagssprache übergegangen, dass ihr Gebrauch manchen gar nicht mehr auffällt. Vor allem bei linken und globalisierungskritischen Bewegungen wird oft das Bild eines die Welt umspannenden Kraken verwendet, um eine Bedrohung durch grosse Konzerne darzustellen. Und in der medialen Berichterstattung beim Thema Datenschutz wird oft von «Datenkraken» gesprochen. Das Motiv des Kraken hat jedoch eine sehr problematische Geschichte. Im Nationalsozialismus wurde mit Kraken-Karikaturen antisemitische Hetze betrieben, zum Beispiel im NS-Propagandablatt «Der Stürmer». Dort wurde das Kraken-Motiv häufig benutzt, um die angebliche jüdische Weltverschwörung zu visualisieren. Es kommen aber auch immer wieder Krankheits- und Todes-Metaphern zum Einsatz: Jüdinnen und Juden werden als «Krebsgeschwür», «jüdische Pest», «Eiterbeule» oder «Bazillen» diffamiert. Siehe dazu auch: Antisemitismus und Verschwörungstheorien
Als Beispiel: Metaphern-Gebrauch bei Ken Jebsen
«Des Weiteren greift Jebsen auf Metaphern zurück, die auf die heimliche Über- und Einflussnahme von Bill Gates referieren: Gates kapert Deutschland und habe sich in die Weltdemokratien hineingehackt, die Impfpflicht werde über die Hintertür eingeführt, das trojanische Pferd Gesundheit, die Politikerinnen und Politiker hätten den Staat ausgeplündert, die Bevölkerung sei deren Versuchskaninchen und Ratten in einem gigantischen Labor. Er bemüht auch Kriegsmetaphorik, um die politischen Spektren rechtsund links zu verwischen: Auf dem Weg an die Front – und wir befinden uns an, wir sind auf dem Weg an die Front – spielt es keine Rolle, ob du auf der rechten Seite oder linken Seite marschierst.»
Wirkung von Metaphern
Metaphern beleben die Sprache und erleichtern manchmal auch das Lernen. Die Linguistin Elisabeth Wehling schreibt: «Metaphorischer Sprachgebrauch aktiviert eine ganze Heerschar von Ideen und Inferenzen, die im ‘eigentlichen’ Wort nicht stecken. Und diese Schlussfolgerungen bedingen dann unsere Wahrnehmung von Fakten ebenso wie unser Handeln.»
Metaphern sind ein sprachliches Phänomen, das unsere Wahrnehmung stark strukturiert. Sie lassen uns sozusagen Sachverhalte in Begriffen anderer Sachverhalte verstehen und erzeugen so Plausibilitätseffekte. Verschwörungstheorien nutzen diesen Plausibilitätseffekt von Metaphern, um damit ihre verschwörungstheoretische Darstellung zu begründen und glaubwürdiger zu machen. Darin liegt auch ein Potenzial für Desinformation. Sprachliche Metaphern können einen neuen und anderen Blick auf ein Thema ermöglichen, oder uns einen solchen Blick aufzwingen. Je nach Situation wirken sie kreativ oder manipulativ.
Quellen:
Michael Butter, «Nichts ist wie es scheint,
Katharina Nocum / Pia Lamberty, Fakte Facts
David Römer und Sören Stumpf: Sprachliche Mittel in Verschwörungstheorien. Das Beispiel »Gates kapert Deutschland«. In: Der Sprachdienst, 6/2020, Jahrgang 64
Sprache in Verschwörungstheorien: „Relativierende Ausdrücke sollen Zweifel säen“(Deutschlandfunk)
Elisabeth Wehling, Politisches Framing, Edition Medienpraxis, Köln 2016