Um das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos rankt sich eine Reihe von Verschwörungstheorien. Das 1971 gegründete WEF ist für Verschwörungsgläubige über die Jahre zum Zentrum des Bösen geworden.
«Grosse ökonomische Zusammenschlüsse wie das Weltwirtschaftsforum sind gerne Projektionsflächen für Verschwörungserzählungen, weil dort verschiedenste Menschen mit Macht zusammenkommen, um sich auszutauschen», erklärt Politikwissenschaftler Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Das Cemas analysiert Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Internet.
Verstärkt aufgekommen sind Verschwörungstheorien rund um das Weltwirtschaftsforum seit Beginn der Corona-Pandemie.
WEF-Gründer Klaus Schwab stellte im Jahr 2020 die Initiative «The Great Reset» vor und publizierte sein fast gleichnamiges Buch.
Darin fasst er die Pandemie als Chance auf, Gesellschaften und die globale Wirtschaft gerechter, sozialer und ökologisch nachhaltiger zu gestalten.
Verschwörungstheoretiker sehen überall Zeichen
Unter Verschwörungsgläubigen wird der «Great Reset» als ein Signal aufgefasst, «dass sich die Welt nun grundsätzlich verändern solle, und zwar auf Grundlage einer Verschwörung der Menschen, die sich bei einem Treffen wie dem Weltwirtschaftsforum zusammengefunden haben», erklärt Rathje. Häufig gilt die Corona-Pandemie in dieser Vorstellung als absichtlich erzeugt.
Zum Glauben an eine erzwungene Umgestaltung der Welt durch «The Great Reset» passen die unterschiedlichsten Fake-Behauptungen: Aus einem Appell, Autos öfter mal zu teilen, bekannt als «Sharing Economy», wird in der Folge die Lüge, das WEF wolle Privatautos verbieten. In einem WEF-Aufnäher auf der Uniform von Schweizer Polizisten «erkennen» Verschwörungstheoretiker den Beleg, dass das Wirtschaftstreffen seine eigene Polizei besässe, ganz wie ein Staat.
Klaus Schwab im Brennpunkt von Desinformation
Besonders im Fokus der Desinformation von Verschwörungsgläubigen steht der deutsche WEF-Gründer Klaus Schwab. «Die Personifizierung einer Verschwörungstheorie passt in das Weltbild von Gut und Böse», erklärt dazu die Psychologin Lotte Pummerer vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen (D).
Ein gefälschter Twitter-Account verkündet beispielsweise unter Schwabs Namen, dass bei Engpässen nur Geimpfte Lebensmittelpakete bekämen. Diese Aussage ist frei erfunden. Mal wird Schwabs Vater eine Vergangenheit als Vertrauter Adolf Hitlers angedichtet. Ein anderes Mal soll WEB-Gründer Klaus Schwab Teil der Bankiersfamilie Rothschild sein. Das ist eine antisemitische Anspielung auf vermeintlich im Verborgenen agierende jüdische Machthaber.
Solche zum Teil abstrusen Vorstellungen können einschneidende Folgen haben. Psychologin Pummerer sagt: «Wir haben in der Forschung gesehen, dass Verschwörungstheorien zu einem stärkeren Misstrauen in Politik und in andere Menschen führten. Verschwörungsanhänger haben auch weniger Vertrauen in andere Menschen und halten sich seltener an soziale Normen. Das hat Konsequenzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.»
Zwischen Kritik am WEF und Verschwörungstheorien über das WEF unterscheiden
Nicht jede Kritik am WEF ist eine Verschwörungstheorie. Politikwissenschaftler Rathje betont:
«Es ist wichtig, zwischen Verschwörungsideologien und Kritik zu unterscheiden.»
Für liberale Demokratien sei die Kritik an den Herrschenden und Mächtigen wichtig. Kritik dürfe jedoch die Komplexität von Ereignissen nicht so weit reduzieren, dass es sich nur um eine Verschwörung von Eliten handeln könne.
Psychologin Pummerer erklärt:
«Es ist ein Kern von Verschwörungstheorien, dass Handlungen immer von böswilliger Absicht bestimmt gesehen werden. Das unterscheidet sie von sachlicher Kritik, die auf Fakten fusst und Veränderung herbeiführen möchte.»
Quelle:
Feindbild Davos: Verschwörungsanhänger und das WEF (Tages-Anzeiger)
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