Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie anfällig Menschen weltweit für Falschnachrichten und Verschwörungstheorien sind. Fachleute aus aller Welt schätzen Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretiker als Gefahr für die Demokratie ein.
Doch welche psychologischen Gründe sind für diese Anfälligkeit verantwortlich? Und sind manche Menschen dafür anfälliger als andere?
„Es kommt auf meine Voreinstellung an“, sagt dazu der Konfliktforscher Andreas Zick, und präzisiert: „Ich glaube Verschwörungsmythen, wenn ich schon im Vorfeld bestimmte Einstellungen oder Feindbilder habe.“ Feindbilder können zum Beispiel die Polizei sein, eine Regierung oder auch Aktivisten im Kampf gegen den Klimawandel.
Im Netz gebe es dann unzählige Online-Angebote, die die eigene Meinung bestätigten, erklärt Zick, und führt weiter aus: „Ich konsumiere dann nur noch Kanäle, die genau meiner Meinung entsprechen. Das ist dann mehr als eine Blase, es ist schon so eine Art Paralleluniversum, das alle möglichen Bedürfnisse befriedigt.“
Angst spiele dabei eine grosse Rolle, erklärt der Psychologie-Dozent Andreas Kappes von der City University London: „Es könnte zum Beispiel sein, dass jemand Angst vor Nadeln hat und deswegen nicht geimpft werden will.“ Die Person suche dann nach Informationen, die bestätigen, dass Impfungen gefährlich seien und man sich nicht impfen lassen sollte.
Es sei also nicht wichtig, sich zu fragen, ‚Warum glauben Menschen nicht an Wissenschaft‘, sondern ‚Warum wollen sie nicht an Wissenschaft glauben?'“
Es sei also nicht so, dass auf der einen Seite die gebildeten Menschen stehen und auf der anderen die ungebildeten, sagt Kappe. Er weist auch darauf hin, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, durchaus noch mit rationalen Argumenten überzeugt werden könnten. Man müsse sie nur auf die richtige Art und Weise ansprechen. „Wenn du ihnen widersprichst, werden sie dir nicht zuhören“, erklärt der Psychologe. Er rät, man müsse zuerst eine gemeinsame Basis finden, eine Sache, in der man sich einig sei – dann diskutieren und Fakten heranziehen. Das ist offenbar wichtig, weil Menschen, die an Falschnachrichten glauben, etwas finden müssen, was ihnen wieder Halt gibt.
Verschwörungstheoretiker machen kaum Unterschiede zwischen seriösen und unseriösen Quellen
Die Neurowissenschaftlerin Franca Parianen erklärt, dass die Kompetenz, gute und schlechte Quellen voneinander zu unterscheiden, eine wichtige Rolle spiele: „Verschwörungsideologen tendieren dazu, bei ihren Quellen sehr schwach zu unterscheiden, wann es sich um Expertenquellen handelt und wann um irgendein YouTube-Video.» Diese Fähigkeit werde bereits Kindern in der Schule zu wenig beigebracht.
Anfällig für Falschnachrichten seien zudem häufig Menschen, die einen großen Kontrollverlust in ihrem Leben erfahren hätten, erklärt Parianen. Durch Falschnachrichten und Verschwörungstheorien bekommen Menschen dieses Gefühl der Kontrolle scheinbar zurück. Die Welt werde plötzlich sehr verständlich, sagt die Neurowissenschaftlerin, und führt weiter aus: „Wenn die Verschwörungsgläubigen sich unsicher fühlen, dann versuchen sie erst recht, andere Leute zu überzeugen. Denn wenn jemand anderes das Gleiche glaubt, dann fühle ich mich ja wieder bestätigt.“
Verschwörungstheorien gegen Langeweile?
Während der Corona-Pandemie sieht Parianen auch Langeweile als Faktor: „Langeweile trägt dazu bei, dass sich die Leute in die Verschwörungstheorie verstricken.“
Auf einmal haben die Menschen viel Zeit, sich vielerlei Seiten und Gruppen anzuschauen. Und stossen so zu einer Community und seien nicht mehr ganz allein zuhause. Dadurch identifizieren sie sich mit einer Gruppe.
Algorithmus als Katalysator für Falschnachrichten
Die Verbreitung von „Fake News“ und Verschwörungstheorien ist jedoch nicht nur ein Produkt der Psychologie der Nutzer, sondern auch der Sozialen Netzwerke. Darauf weist Jens Koed Madsen hin, Senior Research Assistent an der Universität von Oxford. Gefährlich sein die die Kombination aus der eigenen Meinung und dem Algorithmus. Eine US-amerikanische Studie kam zum Schluss: Falschnachrichten verbreiten sich über Twitter viel rascher als echte Nachrichten. „Falschnachrichten beinhalten häufig eine emotionale Sprache, häufig auch eine sehr reißerische Sprache“, erklärt Madsen. Gelegentlich seien die Desinformationen derart absurd und „witzig“, dass sie sogar von Menschen geteilt werden, die sie gar nicht glaubten.
Was hilft gegen die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien?
Franca Parianen empfiehlt:
„Es hilft, sich im Leben Bereiche zu suchen, die man kontrollieren kann, sich in demokratischen Organisationen zu engagieren. Sichere Bindungen im Umfeld helfen auch immer.“ Wichtig sei auch Quellenkompetenz: Zu wissen, welche Quellen seriös sind und welche ebe nicht.
Quelle:
PSYCHOLOGIE: Warum glauben Menschen Falschnachrichten? (Deutsche Welle)
Anmerkung:
Zur Aussage, dass Fachleute aus aller Welt Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretiker als Gefahr für die Demokratie einschätzen, braucht es eine Präzisierung. Das trifft nicht auf alle Verschwörungsgläubigen zu. Es gibt viele Verschwörungstheoretiker und Verschwörungstheoretikerinnen, die keine Gefahr für die Demokratie sind. Das hängt auch von der Art der Verschwörungstheorie ab. Es gibt aber auch Verschwörungstheorien, die in starkem Mass Radikalisierungsprozesse fördern.
Siehe dazu:
Radikalisierung von Extremisten durch Verschwörungsideologien
Warum sind Verschwörungstheorien eine Gefahr für demokratische Gesellschaften?
Verschwörungstheorien unterminieren den Rechtsstaat