Die Central Intelligence Agency (CIA), der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, hat seit der Gründung im Jahr 1947 eine ganze Reihe von kritikwürdigen Aktivitäten entfaltet. Gleichzeitig ist die CIA aber auch ein beliebtes Ziel von Verschwörungstheorien aller Art. Sie eignet sich ausgezeichnet als Sündenbock, dem man unerwünschte Ereignisse in die Schuhe schieben kann.
Verschwörungen gehören quasi zum Kerngeschäft von Geheimdiensten. Es ist daher in diesem Kontext oft nicht einfach zu unterscheiden, was eine reale Verschwörung der CIA oder anderer Geheimdienste ist, und was nur eine Unterstellung auf der Basis einer Verschwörungstheorie.
Dieses Terrain ist schwierig, weil Geheimdienste quasi naturgemäss Geheimhaltung erfordern, für Demokratien aber Kontrolle und Kritik solcher Aktivitäten unverzichtbar ist. Dafür muss jedoch ein bestimmtes Mass an Transparenz gegeben sein.
Folterprogramm und Operation Ajax
Wie nötig Kritik und Kontrolle sind, zeigt beispielsweise das geheime Folterprogramm der CIA im Zuge des sogenannten «Kriegs gegen den Terror». Siehe dazu: «Der CIA-Folterreport 2014» auf Wikipedia. Gut dokumentiert sind inzwischen auch diverse gelungene oder misslungene Umsturzversuche in verschiedenen Ländern. Weitreichende Folgen hatte die inzwischen zum grossen Teil geklärte Operation Ajax. Es handelte sich dabei um eine historische und in ihrer Art für weitere Aktionen beispielgebende, geheime Operation der CIA und des MI6 im August 1953 im Iran, mit der Premierminister Mohammad Mossadegh gestürzt werden sollte.
Der Autor Tim Weiner zitiert dazu eine Aussage des Analytikers und CIA-Mitglieds Ray S. Cline aus dem Jahr 1976. Er sah das Problem mit diesem ‘scheinbar brillanten Erfolg‘ im extravaganten Eindruck der Macht der CIA, den er erschuf. Cline schrieb: ,Es war kein Beweis dafür, dass die CIA Regierungen stürzen und Herrscher einsetzen konnte; es war ein Einzelfall, in dem gerade zur richtigen Zeit in der richtigen Weise das richtige Quantum Beihilfe geleistet wurde.‘ (Details dazu auf Wikipedia unter Operation Ajax).
Die Operation Ajax führte rasch zu einer großangelegten Verwicklung der USA in die iranische Politik. Sie war bei weitem nicht die einzige Einmischung der CIA in politische Angelegenheiten anderer Länder. Sie trug darüber hinaus offenbar zu einem Mythos bei, wonach die CIA ein unerschöpfliches Potenzial habe, Regierungen zu stürzen und Herrscher einzusetzen. Soviel zu realen Verschwörungen der CIA. Der «Mythos CIA» dürfte allerdings die Entstehung von mancherlei Verschwörungstheorien beflügelt haben.
Verschwörungstheorien mit Bezug zur CIA
Es ist kaum möglich, alle Verschwörungstheorien mit Bezug zur CIA aufzuführen. Hier deshalb ein paar Beispiele zur Illustration.
Während des Kalten Krieges diente die CIA in Verschwörungstheorien des «Ostblocks» als Sündenbock, mit dem von eigenen Schwächen abgelenkt werden konnte.
In der DDR entfesselte die SED-Führung in den 1950er-Jahren eine Kampagne zum Kampf gegen den „Ami-Käfer“. CIA-Flugzeuge sollten Kartoffelkäfer über der DDR abgeworfen haben, um die Ernte zu vernichten.
Siehe:
Kartoffelkäfer als Objekt für Verschwörungstheorien
Kartoffelkäfer in Widdershausen
Im Juni 1953 streikten viele Menschen in der DDR. Auslöser war eine Erhöhung der Arbeitsnormen. Arbeiterinnen und Arbeiter sollten bei gleichem Lohn mehr leisten. Die Streikenden verlangten die Rücknahme der Erhöhung und den Rücktritt der Regierung sowie freie Wahlen. Die sowjetische Armee schlug den Aufstand gewaltsam nieder.
Die DDR-Führung unterschug die wahren Ursachen der Proteste und erklärte den Volksaufstand zu Umsturzversuch des Westens. Schuld an den Ereignissen seien Agenten westlicher Geheimdienste. Sie hätten die Proteste inszeniert und die Bevölkerung aufgehetzt.
Der sowjetische Geheimdienst KGB führte im Kalten Krieg «Aktive Massnahmen» zur Desinformation durch. Dazu gehörte das gezielte Streuen verschiedener Gerüchte mit dem Ziel, die NATO und besonders die USA und Israel international zu diskreditieren und damit zu schwächen. Eine dieser Massnahmen lief unter dem Codenamen «Operation Infektion». Der KGB behauptete dabei, die AIDS-Epidemie sei die Folge einer missglückten oder gezielten Biowaffenoperation des US-Militärs und der CIA.
In vielen Verschwörungstheorien um die Ermordung John F. Kennedys im Jahr 1963 taucht die CIA auf. Der als Tatverdächtiger festgenommene Lee Harvey Oswald erscheint in diesen Spekulationen entweder als willenloses Werkzeug, den man sich mit Mitteln der Bewusstseinskontrolle, wie sie in den 1960er Jahren gerade ausprobiert wurden, gefügig gemacht habe, oder als bloßer Strohmann. Für die Verwicklung der CIA in das Attentat gibt es keine Belege. Wie bei Verschwörungsgläubigen üblich, wird das Fehlen von Belegen die Behauptungen nicht erschüttern. Es wird als Zeichen für die Macht der Verschwörer interpretiert, die eben alle Beweise verschwinden lassen können…..
Hat die CIA den Begriff „Verschwörungstheorie“ tatsächlich erfunden?
Der CIA wird von Verschwörungstheoretikern vorgeworfen, den Begriff «Verschwörungstheorie» zur Diffamierung von Kritikern erfunden zu haben. Dabei wird meistens auf das Dokument 1035-960 der CIA aus dem Jahr 1967 verwiesen, in dem hausintern eine Art Sprachregelung für den Umgang mit Kritikern des Warren-Reports (zur Ermordung von John F. Kennedy) festgelegt wird. Dort taucht der Begriff «conspiracy theorists» zwar auf, doch wird er darin recht selbstverständlich verwendet. Das spricht nicht gerade dafür, dass dieses Dokument die Geburtsstunde des Begriffs ist. Tatsächlich kommen der deutsche Begriff «Verschwörungstheorie» und der englische Begriff «Conspiracy theory» schon viel früher vor. Hier wird quasi eine Verschwörungstheorie zum Ursprung des Begriffs Verschwörungstheorie erfunden. Damit können sowohl der Begriff «Verschwörungstheorie» als gleichzeitig auch die CIA in ein schiefes Licht gerückt werden.
Siehe dazu:
Wurde der Begriff «Verschwörungstheorie» tatsächlich von der CIA erfunden?
Die russische Propaganda und ihre westlichen Multiplikatoren stellen die «Farbrevolutionen» in Osteuropa und den Majdan-Aufstand in der Ukraine als Inszenierung westlicher Geheimdienste dar. Damit spricht man allerdings zum Beispiel den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine, die sich in der «Revolution der Würde» auf dem Majdan engagierten, jede eigene Initiative ab und degradiert sie zu Marionetten der CIA.
Der Historiker und Ukrainekenner Andreas Kappeler schreibt dazu:
«Es trifft zu, dass vom Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen in der Ukraine wie in zahlreichen anderen Ländern den Aufbau einer Zivilgesellschaft tatkräftig unterstützten. Der Vorwurf einer zielgerichteten Planung und Durchführung des Euro-Majdan durch die USA und die EU gehört aber ins Reich der Verschwörungstheorien. Der Euro-Majdan war im Kern eine basisdemokratische spontane Massenbewegung gegen eine autoritäre Regierung, die mit dem Zurückziehen der Unterschrift unter den Assoziierungsvertrag ihr Wort gebrochen und mit dem rücksichtslosen Einsatz von Gewalt ihre Legitimität eingebüsst hatte.»
Ulrich Schmid schreibt in einer ironischen Kolumne in der NZZ zu den Aufgabenbereich der CIA:
«Die zentrale Erkenntnis: Die CIA macht Dinge. Hienieden geschieht nichts einfach so, hienieden wird gemacht. Die CIA hat den IS gemacht. Die CIA hat auch die Arabellion gemacht, ebenso den Putsch gegen Janukowitsch in Kiew. Die CIA setzt sich mit den Kapitalisten, den Juden und den Freimaurern zusammen, denkt ein wenig nach, haut fröhlich auf den Tisch und macht. Sie hat Khomeiny gemacht, zwecks Schwächung der arabischen Welt. Sie hat die Finanzkrise gemacht, und den Terror in Europa. 9/11 brauchen wir gar nicht erst zu erwähnen. Zarkawi und Baghdadi? Lohnbezüger. Die CIA zahlt.
Wie konnte man nur so deppert sein? All diese Hundert-Dollar-Scheine, die damals aus den Geldbeuteln der Aktivisten in Kiew und auf dem Tahrir-Platz blinzelten: Klar doch, von der CIA! All diese Autos, teuren Uhren und schicken Klamotten der falschen Revolutionäre: von der CIA! In Wirklichkeit waren doch alle diese Leute für den lieben Janukowitsch, den guten Mubarak und den lieben guten Asad gewesen! Mussten sie ja, denn sonst hätte man sie nicht zu kaufen brauchen. Ihr Geschwätz von Demokratie, Recht und Gerechtigkeit: törichtes Gestammel, perfide evoziert von jener Macht, die stets das Böse will und auch das Böse schafft.»
Quelle:
Wikipedia: Operation Ajax
Verschwörungstheorien früher und heute, Katalog zur Sonderausstellung der Stiftung Kloster Dalheim, 2019.
Ungleiche Brüder: Russen und Ukrainer, von Andreas Kappeler, C. H. Beck Verlag 2017, S. 220.
Wikipedia: Operation Infektion
Wikipedia: Attentat auf John F. Kennedy
Verschwörungstheorien: Was die CIA so alles macht, von Ulrich Schmid (NZZ)