Die Universität Witten/Herdecke ist zum wiederholten Mal ins Gespräch gekommen wegen Veranstaltungen mit fragwürdigen Referentinnen und Referenten. Eine Petition bzw. ein offener Brief an das Präsidium der Universität Witten/Herdecke thematisiert das nun:
«In den vergangenen Tagen haben viele mit Schrecken die mediale Präsenz der Universität Witten/Herdecke verfolgt. Zum wiederholten Male droht die Universität durch (geplante) Veranstaltungen zur akademischen Bühne für Querdenker:innen und Verschwörungsideolog:innen zu werden. Wir erinnern uns an die geplante Einladung von Wolfgang Wodarg, die nur auf Initiative einiger Studierender verhindert werden konnte und an den unrühmlichen Auftritt des Verschwörungsideologen Daniele Ganser im Jahr 2015.
Mit der angekündigten Veranstaltung zur Corona-Pandemie unter Teilnahme von Frau Guérot und insbesondere Herrn Homburg ist für die Universität Witten/Herdecke ein neuer Tiefpunkt erreicht.»
Der Brief geht dann auf Prof. Ulrike Guérot ein, die «vermeintlich durch wissenschaftliche Untersuchungen gedeckte Behauptungen» aufstelle, «deren Richtigkeit im Moment der Diskussion nicht direkt überprüft werden kann, die sich aber im Nachhinein als vollkommen falsch herausstellten.»
Auch Prof. Stefan Homburgs «Historie von selektiven, bewusst irreführenden oder falschen Aussagen ist gut dokumentiert», hält der offene Brief fest.
Diese Kritik wird mit Links auf entsprechende Beiträge untermauert.
Die geplante Veranstaltung ist auf steigenden öffentlichen Druck hin abgesagt worden. Im Offenen Brief wird aber die Frage aufgeworfen, aus welchem Grund das geschah:
«Sie, das Präsidium der Universität Witten/Herdecke, lassen verlauten, dass zu wenig kritische Wissenschaftler:innen im Kreis der Referent:innen verblieben seien. Was die Frage aufwirft, ob die beschriebenen Positionen der Referent:innen Guérot und Homburg unproblematischer würden, wenn eine ausreichende Zahl anderer Referent:innen zugegen gewesen wäre? Menschen wie Stefan Homburg sollten an unserer Universität unter keinen Umständen willkommen sein, ob mit oder ohne Gegenredner:in. Wer in seinen Aussagen die Corona-Politik mit dem Dritten Reich gleichsetzt und so die Shoah in unverantwortlicher Weise verharmlost, hat an einer Universität nichts verloren. Aussagen der Art wie sie Prof. Homburg getätigt hat, sollten als Kriterium für ein Einladungsverbot an eine Universität reichen, egal in welchem Format.»
Sorgen von Studierenden, Mitarbeitenden und Alumni/Alumnae
Studierende, Mitarbeitende und Alumni/Alumnae machen sich Sorgen um diese Situation: «Wenn die Universität, mit der man ein Leben lang in Verbindung gebracht wird, sich immer wieder durch mangelnde Klarheit in der Distanz zu Wissenschaftsleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen medial hervortut, ist das für uns ein Problem.»
Die Unterzeichnenden erwarten von der Universitätsleitung eine klare Positionierung gegen die Einladung der Referent:innen Guérot und Homburg. Ausserdem soll in Zukunft strenger darauf geachtet werden, dass der wissenschaftliche und moralische Charakter der Universität in ihren Einladungen und Veranstaltungen bewahrt bleibt.
Quelle:
Offener Brief an das Präsidium der Universität Witten/Herdecke
(change.org, Petition)
Der Klarheit halber: In den Zitaten enthaltene Links sind nicht im Original-Brief enthalten. Es sind interne Links auf dieser Website.
Was ist speziell an der Universität Witten/Herdecke?
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) ist eine nicht-staatliche Universität in Witten, das im südöstlichen Ruhrgebiet liegt. Im Jahr 1982 wurde sie vom Bundesland Nordrhein-Westfalen anerkannt und nahm 1983 als erste deutsche Privatuniversität den Lehrbetrieb auf. Viele Gründer und Förderer der Universität Witten/Herdecke kommen aus der Anthroposophie, die auch Lehrinhalte beisteuert.
Anmerkungen:
☛ Dass solche Vorkommnisse gerade an der anthroposophisch geprägten Universität Witten/Herdecke vorkommen, ist wohl nicht nur Zufall. Zwischen Anthroposophie und Verschwörungstheorien gibt es eine Vielzahl von Verbindungen. Siehe dazu:
Anthroposophie & Verschwörungstheorien
☛ Das Beispiel mit diesen Veranstaltungen zeigt auch die Problematik der «False-Balance»: Setzt man einen Leugner der menschengemachten Klimaerwärmung mit einem seriösen Klimatologen auf ein Podium oder in eine Talkshow, so entsteht der Eindruck, dass die Wissenschaft etwa halb-halb geteilt ist in dieser Frage. Das steht in komplettem Widerspruch dazu, dass mindestens 98% der Klima-Wissenschaftler die menschengemachte Klimaerwärmung bestätigen. Eine Institution wie die Universität Witten/Herdecke sollte keine False-Balance-Veranstaltungen durchführen und derart zweifelhaften Figuren keine Bühne bieten.
☛ Das «False-Balance-Problem» ist auch Thema in diesem Beitrag:
Warum keine Podiumsdiskussionen mit Bhakdi, Wodarg & Co.?