Das Bedürfnis nach Einzigartigkeit kann beim Glauben an Verschwörungstheorien eine Rolle spielen. Zu diesem Schluss kamen der Professor der Sozialpsychologie Roland Imhoff und die Psychologin Pia Lamberty von der deutschen Gutenberg-Universität Mainz auf der Basis von drei Studien.
Freiwillige wurden zunächst aufgefordert, einen Selbsttest bezüglich ihres Einzigartigkeitsbedürfnisses auszufüllen. Danach wurde ihre Zustimmung zu bestimmten Verschwörungstheorien befragt. Das Ergebnis war eindeutig: Personen mit einem hohen Drang nach Einzigartigkeit stimmen allgemein eher Verschwörungstheorien zu als jene mit einem niedrigen Bedürfnis nach Einzigartigkeit.
In einer weiteren Studie konfrontierten Imhoff und Lamberty Freiwillige mit einer erfundenen Verschwörungstheorie über Rauchmelder. In einem fiktiven Zeitungsartikel warnte ein Ingenieur vor schädlichen Nebenwirkungen dieser Geräte wie Unruhe und Schlafstörungen, ausgelöst durch Hyperschall. Ein Sprecher einer Lobbying-Organisation für Rauchmelder dagegen erklärte, dass kein Grund zur Sorge bestehe.
Der Hälfte der 290 Teilnehmenden wurde gesagt, bei der beschriebenen Rauchmelder-Warnung handle es sich um einen Sachverhalt, der von einer Mehrheit von 81 Prozent der Deutschen geglaubt wurde. Die andere Hälfte bekam das Gegenteil beschieden: 81 Prozent der Deutschen zweifelten die Warnung an.
Die Information über die Popularität der erfundenen Verschwörungstheorie hatte insgesamt keinen Einfluss auf die Testpersonen. Auf die Personen hingegen, die vorgängig als anfällig auf Verschwörungstheorien eingestuft wurden, hatte die Information sehr wohl einen Einfluss: Sie glaubten der Rauchmelder-Verschwörungstheorie eher, wenn sie als eine unpopuläre Minderheitenmeinung dargestellt wurde.
Als Minderheitenmeinung präsentiert, war die erfundene Verschwörungstheorie also attraktiver für Personen mit höherem Bedürfnis nach Einzigartigkeit. Verschwörungstheorien, die nur von wenigen Menschen geglaubt werden oder so präsentiert werden, können gerade deswegen anziehend wirken auf jene, die sich von der grauen Masse abgrenzen wollen. Das Motto scheint zu lauten: Hauptsache kein Mitläufer sein, nur nicht dem Mainstream glauben. Mit dieser Haltung kann man allerdings auch zum Geisterfahrer werden.
Bedürfnis nach Einzigartigkeit macht anfällig für Verschwörungstheorien
Erstaunlich ist auch, dass die in der Studie erwähnte erfundene Verschwörungstheorie von einem Viertel der Testpersonen auch dann noch geglaubt wurde, als die Forschenden offenlegten, dass die Geschichte Fiktion sei. Dieses Festhalten korrelierte mit dem von den Probanden selbst eingeschätzten Bedürfnis nach Einzigartigkeit.
Quelle:
Verschwörungstheoretiker haben Bedürfnis nach Einzigartigkeit (psychologie.ch)
Originalstudie:
Imhoff, R. & Lamberty, P. (2017). Too special to be duped: Need for uniqueness motivates conspiracy beliefs. European Journal of Social Psychology. doi: 10.1002/ejsp.2265
Wahrheit und Verschwörung – Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist, von Jan Skudlarek, Reclam Verlag 2019
Anmerkung:
Warum können Verschwörungstheorien das Gefühl der Einzigartigkeit vermitteln? Sie gegen den Anhängerinnen und Anhängern das Gefühl, über besonderes Wissen zu verfügen, das den „Schlafschafen“ nicht zur Verfügung steht. Verschwörungsgläubige sehen sich daher oft im Gegensatz zu den Schlafschafen als „Aufgewachte„. Das kann sich bis zur Arroganz steigern.