Dan Brown (*1964) ist ein erfolgreicher US-amerikanischer Mystery-Triller-Autor. Mit seinem Roman Illuminati gelangte Dan Brown innerhalb kürzester Zeit auf die vorderen Ränge der Bestsellerliste. Mit seinem in 35 Ländern veröffentlichten Buch The Da Vinci Code (dt.: Sakrileg) wurde er zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller aller Zeiten. Beide Romane wurden auch verfilmt.
Bücher und Filme wie die von Dan Brown oder auch „Akte X“ bieten spannende Unterhaltung, die auf raffinierte Weise die offenbar weit verbreitete Lust an Verschwörungstheorien aufgreift. Problematisch kann das werden, wenn Leserinnen und Leser Fiktion mit Realität verwechseln und die Texte als Sachbuch oder die Filme als Dokumentation auffassen. Dadurch kann sich eine vermeintliche Realität konstituieren, die sich schlussendlich so verselbständigt, dass sie für realer als die Realität gehalten wird. Dieses literarische Phänomen ist nicht neu. Es zeigte sich beispielsweise anhand der Schriften des Karl May (1842 – 1912), die von Leserinnen und Lesern über weite Strecken als echte Erlebnisberichte aufgefasst wurden und das Indianerbild mehrerer Generationen prägten. Ein weiteres Beispiel ist der 1982 erschienene Roman „Die Nebel von Avalon“ der Amerikanerin Marion Zimmer-Bradley (1930 – 1999). Er wird bis heute etwa von „neuen Hexen“ als authentische Rekonstruktion vorchristlicher keltischer Religion gelesen.
Der Dan-Brown-Code
Die Hauptfigur in den Romanen von Dan Brown ist ein Harvard-Professor, der „Symbolologe“ Robert Langdon. Er hat immer wieder mysteriöse Mordfälle aufzuklären. Unter anderem mit Hilfe der Entschlüsselung geheimnisvoller Zeichen und Symbole taucht er in eine Welt von Verschwörungen und Geheimgesellschaften ein. Dabei kommt er den Mördern gefährlich nahe.
Browns Bücher enthalten eine Mischung aus Mord, Verschwörungstheorien, obskuren Machenschaften von Geheimorden und gewissenlosen Gralssuchern, die gut ankommt. Der außergewöhnliche Erfolg der Robert-Langdon-Reihe basiert nicht zuletzt auf ihrem typischen literarischen Strickmuster, dem Dan-Brown-Code: Die Thriller nehmen die Leser auf eine atemberaubende Schnitzeljagd mit. Sie dringen ein in eine Welt mysteriöser Mordfälle, finsterer Machenschaften und Verschwörungen, in den Kampf um Machtgewinn und Machterhalt, bei dem ethische Grenzen gezielt überschritten werden. Zum Schluss sind die Leser meist schlauer. Die finsteren Pläne entpuppen sich als übles Menschenwerk.
Dan Brown erzielte mit seinen Romanen eine grosse Wirkung. Seine Romanwelt wurde von seinen Leserinnen und Lesern über weite Strecken als Schilderung echter Vorkommnisse gelesen: der Einfluss der Illuminaten, die Fortschrittsfeindlichkeit insbesondere der katholischen Kirche, der Prozess gegen Galilei, die Existenz geheimer Orden, die einen gigantischen kirchlichen Betrug seit 2000 Jahren kennen (ohne ihn jedoch je als Betrug enttarnt zu haben) – dies alles galt bei zahlreichen Lesern plötzlich als real existierende und nachprüfbare Wirklichkeit. Browns Thesen und Behauptungen lassen sich im Einzelfall mit ein wenig historischer und theologischer Sachkenntnis leicht widerlegen. Doch Dan Brown präsentiert seine literarischen Stoffe ausgesprochen eingängig und logisch nachvollziehbar.
Zudem goss die katholische Kirche beim «Krisenmanagement» im Umgang mit den Werken Browns unfreiwillig Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern. Dass der Filmstart von „The Da Vinci Code – Sakrileg“ von teilweise heftigen Protesten begleitet war, interpretierten Verschwörungsgläubige als Beweis, dass die Kirche „etwas zu verbergen“ habe. Auch die Tatsache, dass von offizieller kirchlicher Seite Drehgenehmigungen für den Film „Illuminati“ in römischen Kirchen und im Vatikan verweigert wurden, bestätigte in den Augen von Verschwörungstheoretikern die Richtigkeit ihrer Vermutungen – auch wenn ein solches Verbot natürlich nachvollziehbar war.
Dan Brown trägt mit seinen Romanen zur Verwechslung von Fiktion und Realität bei
Die Präsentation eines nachvollziehbaren Geheimwissens und die verschiedenen realen existierenden Schauplätze – der Vatikan in Rom, der Louvre in Paris oder die US-Metropole Washington suggerieren dem Leser, er hätte dadurch Zugang zu einem bislang unerschlossenen Wissenskanon europäischer und US-amerikanischer Kultur- und Religionsgeschichte.
Dan Brown trägt zur Verwechslung von Fiktion mit der Realität auch explizit bei, zum Beispiel wenn er zu Beginn von Illuminati schreibt, die Illuminaten seien ein real existierender Geheimbund.
Der Schein trügt jedoch. Dies sei ein Wesenskern des Dan-Brown-Codes, schreiben Matthias Pöhlmann und Heiko Ehrhardt:
«Das literarische Spiel mit Verschwörungstheorien und nicht zuletzt die eigentümliche Mischung aus vielerlei wissenschaftlichen, scheinbar gesicherten Informationen und esoterischen Mythen zum Heiligen Gral, zur Jesusüberlieferung und zu Geheimgesellschaften und Bruderschaften wie Illuminaten und Freimaurern machen es für den Leser schwer, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.»
Dan Brown trägt zur Verwechslung von Fiktion mit der Realität auch explizit bei, zum Beispiel wenn er zu Beginn von Illuminati schreibt, die Illuminaten seien ein real existierender Geheimbund. Er unterstellt zudem auch, dass die Illuminaten Großbanken und Regierungen unterwandert hätten.
Quelle:
Der Dan-Brown-Code entschlüsselt – Eine Einführung zum Robert-Langdon-Zyklus, von Matthias Pöhlmann und Heiko Ehrhardt, EZW-Texte 207.
Anmerkungen:
Dan Brown schreibt unterhaltsam und spannende Romane. Er trägt mit seinem Dan-Brown-Code aber auch zur Verwischung von Fiktion und Realität bei. Das ist beim Thema Verschwörungstheorien nicht ganz harmlos. Wer länger oder intensiver in diese Romanwelt abtaucht, könnte von der Realität der dargestellten Verschwörungen überzeugt und eher bereit sein, im Alltag auch dort Verschwörungen zu sehen, wo keine sind. Insbesondere in Krisenzeiten dürfte sich diese Neigung verstärkt zeigen.