Ein Gericht in Florida hat das bisher härtestes Urteil für einen Kapitol-Angreifer gefällt: Fünf Jahre Haft. Der Mann sieht sich als Opfer von Verschwörungstheorien.
Rund ein Jahr nach dem Sturm aufs Kapitol in Washington ist die juristische Aufarbeitung dieses versuchten Staatsstreichs noch längst nicht abgeschlossen.
In einem weiteren Gerichtsprozess wurde nun ein Kapitol-Angreifer aus Florida, der Polizisten attackiert hatte, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Dabei hat das Gericht das bislang schärfste Urteil gefällt: Für 63 Monate, also für etwas mehr als 5 Jahre, muss der US-Amerikaner Robert Palmer für seine Tat ins Gefängnis.
Mehr als 700 Kapitol-Angreifer angeklagt
Der Mann aus Florida wurde von Bundesrichterin Tanya Chutkan schuldig gesprochen wegen des Angriffs, des Widerstands und der Behinderung von Beamten mit einer gefährlichen oder tödlichen Waffe. Robert Palmer ist der bislang 65. Verurteilte von über 700 Angeklagten.
Der 54-Jährige hatte beim Sturm auf das Kapitol am sechsten Januar 2021 die Polizei angegriffen, während diese versuchte, die Menge aus Trump-Anhängern zurückzuhalten. Der Verurteilte bewarf die Polizeibeamten mit einem Holzbrett und einer Stange, sprühte mit dem Feuerlöscher auf sie und warf dann auch diesen nach ihnen.
Palmer sieht sich als Opfer er Verschwörungstheorie vom Wahlbetrug
Der Angeklagte hatte die Tat gestanden. Unter Tränen sagte Palmer, er schäme sich für sein Handeln.
Darüber hinaus erklärte der Mann, er sei Opfer von Verschwörungstheorien gewesen: von der Lüge der gestohlenen Präsidentschaftswahl, laut der nicht Joe Biden sondern Donald Trump gewonnen habe – sowie von der Erzählung, dass es eine Pflicht sei, sich dieser „Tyrannei“ entgegenzusetzen.
In einem Brief an die Richterin hatte Palmer geschrieben, er habe erkannt, dass Trump und seine Verbündeten ihre Anhänger belogen hätten, indem sie »die falsche Geschichte über eine gestohlene Wahl verbreiteten« und gefordert hätten, »dass es unsere Pflicht sei, der Tyrannei die Stirn zu bieten«. Und er kommt zum Schluss: »Mir war nicht klar, dass sie die Tyrannen waren, die um jeden Preis an der Macht bleiben wollten«, indem sie das Chaos heraufbeschworen hätten.
Am 6. Januar hatte eine aufgeputschte Masse von Fans des damaligen noch-Präsidenten Trump das Kapitol gestürmt und Sicherheitskräfte überrannt. Bei den Gewalttaten starben fünf Menschen, darunter ein Polizist. Vier Polizisten brachten sich in den Monaten darauf um.
Quellen:
Bisher härtestes Urteil Fünf Jahre Haft für Kapitol-Angreifer (Tagesschau)
Trump-Unterstützer muss fünf Jahre ins Gefängnis (Spiegel online)
Ausserdem:
☛ Mit diesen Einsichten wird es Palmer nicht zum Heldenstatus in der QAnon-Sekte schaffen. Im Gegensatz zu Ashli Babbitt, die beim Sturm auf das Kapital erschossen wurde und für ihre Tat von Trump-Unterstützern nun gefeiert wird. Was sie im nach hinein davon hält, kann sie nicht mehr sagen. Palmer und seine Mittäterinnen und Mittäter sind aber auch nicht nur Opfer von Verschwörungstheorien. Alle Kapitol-Angreifer tragen auch eine Eigenverantwortung.
☛ Inzwischen wird immer deutlicher, dass dieser Sturm aufs Kapitol kein spontanes Ereignis war, sondern ein geplant eingefädelter versuchter und zum Glück gescheiterter Staatsstreich. Es wird wohl noch längere Zeit dauern, bis einem grösseren Teil der Kapitol-Angreifer klar wird, dass sie für antidemokratische Zwecke instrumentalisiert wurden. Eindrücklich dabei ist, wie leicht sich diese Massen instrumentalisieren lassen, wie rasch Radikalisierung durch Verschwörungstheorien möglich ist und wie schnell das alles in Gewalt kippen kann.
Siehe dazu auch:
Die Vorzüge und Instrumentalisierungen von Verschwörungstheorien
Welche politischen Interessen stehen hinter Verschwörungstheorien?
Radikalisierung von Extremisten durch Verschwörungsideologien
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt
☛ Die Verschwörungstheorie vom Wahlbetrug dient der Delegitimation demokratischer Wahlen und kann nicht genug als antidemokratische Agitation gebrandmarkt werden.
„Eine faire Wahl als gefälscht zu bezeichnen, ist so kriminell wie eine gefälschte Wahl fair zu nennen“ (Schach-Legende Gary Kasparow)
Siehe:
Wahlbetrug / Wahlmanipulation als Unterstellung und Verschwörungstheorie