Die Corona-Pandemie führt zu einer ganzen Reihe von abstrusen und widersprüchlichen Verschwörungstheorien. Und darüber hinaus zu Verharmlosungen – zum Beispiel im Internet durch Wolfgang Wodarg.
Da wird die Pharmaindustrie verantwortlich gemacht, oder wahlweise China, Israel, G5-Funkmasten, die Schweinezüchter……
Es gibt aber auch Fälle von krasser Verharmlosung. In diesen Fällen wird den Behörden oft vorgeworfen, dass sie durch Panikmache die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger einschränken. Oder dass sie Profit machen wollen. Damit wird eine Verschwörungsmentalität gefördert.
Ein Beispiel dafür sind die Videos des deutschen Arztes Wolfgang Wodarg.
Er behauptet, dass die Corona-Krise reine Panikmache sei. Solche Viren habe es schon immer gegeben. Bisher sei ihnen einfach keine so grosse Aufmerksamkeit geschenkt worden. Wodarg sagt in seinen Videos, dass in jedem Winter Menschen an der Grippe sterben würden, darunter auch solche, die mit dem Coronavirus infiziert worden seien. Alles sei nun eine Effekthascherei von Wissenschaftlern, die sich wichtig machen wollen und auf Geldmacherei aus seien.
Die Behauptungen von Wolfgang Wodarg sind «kompletter Blödsinn»
Im Magazin «Watson» demontiert der Biophysiker Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel die Behauptungen von Wolfgang Wodarg als «kompletter Blödsinn»:
«Coronaviren gibt es zwar schon lange, aber dieses neue Coronavirus, mit dem wir jetzt zu tun haben, ist erst vor vier Monaten in die menschliche Population übergetreten.» Das Virus sei genau untersucht worden und man habe festgestellt, dass sich sein Erbgut – egal wo auf der Welt das Virus auftrete – sehr ähnlich sei. «Daraus können wir schliessen, dass der gemeinsame Vorfahre des Virus erst wenige Monate alt ist. Die Aussage, dass es dieses Virus schon lange gebe, ist also falsch.»
Solche Desinformation führe dazu, dass die Menschen die Vorsichtsmassnahmen zur Infektionskontrolle nicht ernst nehmen und damit eine weitere Ausbreitung des Virus befördern: «Was Herr Wodarg da macht, ist unverantwortlich.»
Auch bezüglich der Mortalität verbreite der vermeintliche Experte Wodarg Unwahrheiten, kritisiert Richard Neher.
In seinen Videos spiele er die Sterblichkeit des Virus herunter, sage, es würden nicht mehr Menschen sterben wie an einer normalen Grippe auch. Doch auch das sei Unsinn, sagt Neher. Der Wissensstand zur Mortalität verbessere sich laufend. Indem man immer mehr Populationen in ihrer Gesamtheit habe testen können, sei es möglich, genaue Resultate daraus abzuleiten: «Wir stellen fest, dass bei den über 70-jährigen mit dem Virus angesteckten Personen fünf Prozent sterben.»
Im Epizentrum der Pandemie ist die Sterblichkeit um ein Vielfaches erhöht
Zwar sehe es europaweit danach aus, als ob nur wenig Menschen an am Coronavirus sterben würden. Im Epizentrum der Pandemie sei jedoch die Mortalität um ein Vielfaches erhöht: «In den italienischen Gemeinden, die besonders schwer betroffen sind, sterben derzeit viel mehr Menschen als in einem normalen Winter. Dazu muss man sich nur mal die Todesanzeigen der Zeitung von Bergamo zu Gemüte führen.»
Ohne Impfstoff und ohne geeignete Massnahmen gehe man davon aus, dass sich zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer mit dem Coronavirus anstecken werden. Bei einem Prozent werde der Krankheitsverlauf tödlich enden.»
Deshalb sei es nun wichtig, dass man anstatt solche Videos zu verbreiten sich richtig informiere und sich an die verordneten Massnahmen halte. Dadurch sei es möglich, die Ansteckungskurve abzuflachen.
Richard Neher kommt zum Schluss:
«Solche Desinformation führt dazu, dass die Menschen die Vorsichtsmassnahmen zur Infektionskontrolle nicht ernst nehmen und damit eine weitere Ausbreitung des Virus befördern.»
Quelle:
«Kompletter Blödsinn» – so demontiert ein Biophysiker ein Video eines deutschen Arztes
(Magazin Watson)
Im Covid-19-Uhr-Newsletter des Online-Magazins Republik sagt Richard Neher:
«Im Grunde ist alles falsch, was Wodarg zum Coronavirus behauptet.»
Das Recherche-Netzwerk Correctiv hat einen Faktcheck der Aussagen von
Wolfgang Wodarg veröffentlicht:
Coronavirus: Warum die Aussagen von Wolfgang Wodarg wenig mit Wissenschaft zu tun haben
Einen Faktcheck gibt es auch von Mimikama – dem Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch:
Die Ansichten des Dr. Wolfgang Wodarg – Coronavirus-Maßnahmen übertrieben?
Artikel über Wolfgang Wodarg auf Psiram.
Den eigentlichen Faktcheck liefet allerdings die Realität
Die Behauptung, dass es sich bei der Corona-Pandemie um eine Art von Grippe handelt, ist vom Verlauf der Infektion bereits vom Tisch gefegt worden. Wer das nicht glauben will, soll sich den Bericht des «Heute Journals» aus der Intensivstation von Cremona in der Lombardei anschauen:
In der Lombardei ist das Gesundheitssystem total überlastet. Ebenso im Elsass:
Es gibt keine Covid-19-Betten mehr (Frankfurter Allgemeine)
Eindrücklich ist auch der Bericht des Bürgermeisters von Bergamo:
Bergamos Bürgermeister über Corona „Nutzt die Zeit, die ihr noch habt“
(Spiegel online)
Eine sehr gute Stellungnahme zu den Behauptungen von Wolfgang Wodarg hat die Public Health School der MedUni Graz veröffentlicht:
Das ist ein Resultat dieser Corona-Pandemie, die laut Wodarg nur Panikmache ist:
Überfülltes Krematorium – Militär transportiert Leichen aus Bergamo ab
Corona-Drama in Spanien – Ärzte entscheiden über Leben und Tod (n-tv)
Alles nur „Panikmache“, „unsinnige“ Verbotsregeln: Wolfgang Wodargs steile Thesen im Faktencheck (Stern)
Fakecheck auf SRF 10vor10 zum Thema Corona-Pandemie
Eine fundierte Antwort auf die abstrusen Behauptungen von Wolfgang Wodarg bietet auch der Virologe Christian Drosten im Coronavirus-Update auf NDR Info.
Detaillierte Recherche: #Faktenfuchs – das Faktencheck-Format des Bayerischen Rundfunks:
Ohne Fundament: Arzt nennt Corona-Maßnahmen Panikmache
Faktencheck „Welt online“: Warum dieser Mann die Epidemie kleinredet
Wer in einer Pandemie derartige Desinformation verbreitet wie Wolfgang Wodarg – und das noch als Arzt – handelt unverantwortlich. Wir brauchen in dieser Situation keine alternativen Dampfplauderer.