Seit die Corona-Pandemie aufgetaucht ist, machen auch Verschwörungstheorien die Runde, wonach das Virus in einem Labor entstanden ist, zum Beispiel als Biowaffe. Je nach Feindbild liegt der Ursprung dann zum Beispiel in den USA, in China oder in Israel. Dieses Konstrukt ist schon allein dadurch ziemlich abstrus, weil die Produzenten dieser Biowaffe mit einem Pandemie-Erreger auch ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger gefährden würden. Die eigene Bevölkerung müsste schon mit einem Impfstoff geschützt sein, damit der Einsatz eines solchen Virus nicht zum Desaster im eigenen Land würde. Und wie ein solcher Impfstoff geheim, aber mit vielen Mitwissern entwickelt und getestet werden könnte, ist sehr schwer vorstellbar.
Das Online-Magazin Watson zitiert den Epidemiologie-Experten, Biochemiker und Molekularbiologen Enrico Bucci. Der Forscher erklärt, warum es sich beim Erreger von COVID-19 nicht um ein Virus handeln kann, das im Labor entstanden ist:
«Es gibt einen grossen Unterschied: Bei Viren, die im Labor entstanden sind, erkennt man Spuren. Denn Wissenschaftler fügen ganze Stücke einer DNA in ein Virus ein. Bei natürlichen Mutationen hingegen sind die Veränderungen hingegen viel kleiner und über das ganze Virus verteilt.»
Man erkenne an der Struktur von «SARS-CoV-2», dass es nicht künstlich sein könne. (Quelle: Watson)
Wissenschaftliche Argumente gegen Entstehung als Biowaffe im Labor
Nun gibt es aber auch weitere wissenschaftliche Argumente gegen eine Entstehung als Biowaffe im Labor:
Der Corona-Pandemie Erreger (SARS-CoV-2) entwickelte seine Gefährlichkeit durch natürliche Prozesse in Tieren oder Menschen. Neue Analysen widerlegen die Verschwörungstheorie, dass das Coronavirus absichtlich in einem Labor erzeugt worden sei.
Die Wissenschaftlergruppe schreibt im Fachjournal „Nature Medicine“:
„Unsere Analyse zeigt klar, dass es kein Konstrukt aus dem Labor oder absichtlich verändertes Virus ist.“
Kurz nach Ausbruch der Corona-Epidemie entzifferten chinesische Wissenschaftler das Erbgut des Corona-Pandemie Erregers (SARS-CoV-2). Sie machten die Daten umgehend für alle Wissenschaftler weltweit frei zugänglich.
Ein Team um Kristian Andersen vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien (USA) verglich nun das Erbgut des Virus mit dem von anderen Coronaviren-Stämmen. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf aussagekräftige Merkmale, wie die genetische Vorlage für nach außen ragende Eiweißstoffe in der Virushülle (Spike Proteine), mit dem das Virus quasi die Außenwände von menschlichen oder tierischen Zellen packt und sie durchdringt.
Ein Teil des Spike Proteins funktioniert wie ein Enterhaken. Dieser Teil hängt sich an einem Eiweißstoff (ACE2) an der Außenseite der Wirtszellen ein. Laut biochemischen Experimenten ist es dabei sehr effektiv, während Computeranalysen die Bindung als suboptimal eingestuft haben. Demnach ist dieser perfektionierte Enterhaken wohl das Ergebnis der natürlichen Anpassung an menschliches oder sehr ähnliches ACE2 und nicht von gentechnischen Veränderungen, schreiben die Wissenschaftler: „Das ist starke Evidenz dafür, dass SARS-CoV-2 kein Produkt absichtlicher Manipulation ist.“
Anderes Virus-Grundgerüst
Analysen des Virus-Grundgerüsts, also seiner molekularen Gesamtstruktur, unterstützen diese Schlussfolgerungen. Es zeigt substanzielle Unterschiede zu dem anderer bekannter Coronaviren bei Menschen und gleicht am ehesten dem Grundgerüst verwandter Viren in Fledermäusen und Schuppentieren.
Die Wissenschaftler schreiben dazu:
„Wenn irgendjemand versucht hätte, ein neues Coronavirus als Krankheitserreger zusammenzustellen, hätte er es wohl auf dem Grundgerüst eines bekannten Virus, das Krankheiten verursacht, aufgebaut.“
Der Forscher Kristian Andersen schreibt in einer Aussendung des Scripps Research Institutes: „Diese zwei Eigenschaften: Die Veränderungen im RBD-Teil des Spike Proteins und sein spezielles Grundgerüst, schließen Manipulationen im Labor als potenziellen Ursprung für SARS-CoV-2 aus.“
Zwei Thesen betreffend Entwicklung der Gefährlichkeit
Den Erbgut-Eigenschaften des Virus sehen die Forscher zwei mögliche Szenarien, wie der Corona-Erreger entstanden ist:
– Erstens kann es seine gefährlichen Eigenschaften durch die natürliche Auslese in Tieren entwickelt haben und dann zu Menschen übergesprungen sein. Das geschah bei den früheren Coronavirus-Ausbrüchen von Schleichkatzen (SARS) und Kamelen (MERS).
Am ehesten käme SARS-CoV-2 von Fledermäusen, weil es einem Fledermaus-Coronavirus stark ähnelt, erklären die Forscher. Da keinen Nachweis für eine direkte Übertragung von Fledermäusen auf Menschen existiert, könnte ein anderes Tier als „Zwischenwirt“ involviert sein, meinen die Wissenschaftler. Gemäss diesem Szenario hätte die Epidemie sofort angefangen, als das Virus erstmals in Menschen auftauchte, weil es seine Krankheits-erregenden Eigenschaften dann bereits hatte.
– Als zweite Möglichkeit könnte das Virus noch vergleichsweise harmlos gewesen sein, als es von einem anderen Tier auf den Menschen wechselte. In diesem Szenario hätte es seine Gefährlichkeit erst in Menschen entwickelt. Schuppentier-Coronaviren besitzen zum Teil sehr ähnliche Enterhaken(RBD)-Strukturen und könnten direkt oder über Zwischenwirte in Menschen gelangt sein.
Das Spike Protein bei SARS-CoV-2 hat jedoch noch eine andere gefährliche Eigenschaft: Es kann menschliche Zellen gut aufbrechen, um danach in sie einzudringen. Diese Eigenschaft hätte sich nach Ansicht der Forscher in diesem Szenario am ehesten im Menschen entwickelt. Es könnte dann die Epidemie ausgelöst haben, weil das Virus sich dadurch viel besser unter den Menschen ausbreiten konnte. Es sei aber schwer bis unmöglich zu wissen, welches der beiden Szenarien am ehesten zutreffe, erklärt Andrew Rambaut von der University of Edinburgh (Großbritannien).
Quelle:
https://science.orf.at/stories/3200320/
https://doi.org/10.1038/s41591-020-0820-9
Hier gibt’s einen ausführlichen Artikel der NZZ zum Thema:
Kein Platz für Verschwörungstheorien: Der Stammbaum des Coronavirus enthüllt, woher es kommt
Update 14. April 2020:
Es deutet immer noch alles darauf hin, dass SARS-CoV-2 auf natürlichem Weg entstanden ist. Inzwischen sind aber ernsthafte Fragen aufgetaucht, ob dieser Markt in Wuhan wirklich der Ursprungsort der Pandemie ist, oder ob das Virus durch einen Unfall oder Schlamperei aus einem Forschungslabor entkommen konnte.
Belege dafür gibt es keine.
Aber es existiert ein Corona-Forschungslabor in unmittelbarer Nähe zu diesem Markt. Dieses Institut hat einen Weltruf und forscht ausser an Coronaviren erfolgreich auch an weiteren Viren, wie beispielsweise am HI-Virus, dem Zika-Virus und am Ebola-Virus.
Offenbar geht es im Fall der Forschung an Coronaviren in Wuhan nicht um militärische Forschung zu Biowaffen – auch wenn dies in Verschwörungstheorien sozialer Medien gerne verbreitet wird. Dies bestätigen neben mehrere Forschungslaboren inzwischen sogar die CIA.
Doch einige Wissenschaftler halten es für möglich, dass SARS-CoV-2 ungewollt aus dem Labor wohlmeinender Forscher entwichen sein könnte. In diesem Sinne hat sich etwa der in Harvard ausgebildete Professor Richard Ebright vom Waksman Institute of Microbiology in New Jersey geäussert, der auf „den minimalen Schutz von Laboranten“ in Wuhan hinweist.
Dass die chinesischen Behörden zum Ursprung der Pandemie sehr restriktive Publikationseinschränkungen für Wissenschaftler und Zensurbestimmungen eingeführt haben, verstärkt die Skepsis gegenüber den offiziellen Verlautbarungen.
Quelle:
Hat China Angst vor der Wahrheit? (n-tv)