Verschwörungstheorien und Verharmlosungen reduzieren den Willen zahlreicher Menschen in Serbien, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Ähnliche Beobachtungen treffen auch auf andere Staaten der Balkan-Region zu.
Innerhalb von 24 Stunden registrierten sich mehr als zwei Millionen Serben für eine Corona-Initiative ihrer Regierung. Dabei ging es jedoch nicht um Impfungen gegen Covid-19, sondern um eine 100-Euro-Sonderzahlung. Das Interesse an Impfungen ist im Gegensatz dazu deutlich schwächer. Das liegt an geringem Vertrauen in die Regierung und an weit verbreiteten Verschwörungsmythen und Corona-Verharmlosungen.
Gemäss aktuellen Umfragen glauben in Serbien und anderen Ländern der Balkan-Region mehr als drei Viertel der Bürger an eine Verschwörungstheorie zur Corona-Pandemie: Dass China oder die USA das Coronavirus gezüchtet hätten, dass die Pharmakonzerne oder Bill Gates es verbreite, um durch die folgenden Corona-Impfungen die Weltbevölkerung zu kontrollieren.
In den meisten anderen Teilen Europas werden Corona-Verschwörungstheorien dagegen von «nur» einem Viertel bis einem Drittel der Bevölkerung geteilt.
Die Umfragen zeigen eine direkte Verbindung zwischen der Unterstützung von Verschwörungstheorien und der Skepsis gegenüber Impfungen. In der gesamten Balkan-Region plant eine Mehrheit, sich nicht impfen zu lassen, im Gegensatz zum übrigen Europa, wo eine Mehrheit die Impfung befürwortet.
Verschwörungstheorien stellen somit ein Risiko für die öffentliche Gesundheit auf dem Westbalkan dar und schwächen das schon tiefe Vertrauen in Institutionen und Staaten. Damit begünstigen sie eine populistische Weltanschauung, die wiederum demokratische Entwicklung untergräbt.
Zum Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Populismus siehe hier:
Verschwörungstheorien und Populismus
Beispiel aus dem Balkan
Umfragen zeigen, dass sich gut die Hälfte der Rumänen erst einmal nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen. In Bulgarien ließ sich gerade mal ein Fünftel der Lehrer für die Corona-Impfung vormerken. Und als der Direktor eines Belgrader Kinderkrankenhauses Ärzte und Krankenschwestern versammelte, um sie für eine Corona-Impfung zu registrieren und ihnen dabei, wie es in Serbien üblich ist, sogar die Auswahl unter verschiedenen Impfstoffen ließ, wollte sich niemand impfen lassen.
An zahlreiche Orten, auch in Rumänien und Bulgarien, missachteten orthodoxe Gläubige Abstandregeln beim orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar. In Serbien standen im Bergort Zlatibor Tausende für eine Bergbahn an.
Auch die Wintersportregion Kopaonik wurde überrannt, kaum jemand hielt sich an Maskenpflicht oder Abstandsregeln.
Quellen:
Serbien: Skifahren statt impfen (Süddeutsche)
Studie:
The Suspicious Virus: Conspiracies and COVID-19 in the Balkans
Anmerkungen:
☛ Gegen die Ausbreitung von Verschwörungstheorien braucht es zwar mehr Informationen über die Corona-Impfung, doch reicht das nicht aus. Wenn in starkes Misstrauen gegen staatliche Institutionen vorhanden ist, werden offizielle Informationen kaum angenommen. Misstrauen ist deshalb im Umgang mit Verschwörungstheorien ein wichtiges Stichwort, nicht nur auf dem Balkan. Dabei ist es wichtig, zwischen gesundem und toxischem Misstrauen zu unterscheiden. Siehe dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
☛ Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen waren auch in vielen anderen Regionen Europas für die Ausbreitung der Corona-Pandemie förderlich, nicht nur auf dem Balkan. Und betreffend den negativen Folgen geöffneter Skigebieten gibt es auch eindrückliche Beispiele aus Österreich und der Schweiz.