Krisenzeiten sind immer ein guter Nährboden für Verschwörungstheorien. Gegenwärtig sind sie zahlreich im Umlauf zur Corona-Pandemie. Ihre Verbreitung wird stark beschleunigt durch Social Media.
Faktenbasierte Argumentation sei wichtig, sagt Adrian Bangerter im Interview mit SRF Kultur. Er ist Psychologieprofessor an der Universität Neuenburg.
Bangerter wird von der Interviewerin gefragt, weshalb solche Verschwörungstheorien entstehen.
Antwort Bangerter:
«Es ist nützlich, Verschwörungstheorien als Geschichten zu betrachten, die Erklärungen in Krisensituationen bieten. Wenn man an Epidemien denkt, die in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen sind, gibt es oft ähnliche Erklärungsmuster. Etwa bei der Pest im 14. Jahrhundert oder beim Auftauchen von Aids in den frühen 1980er-Jahren.»
Man habe festgestellt, dass Verschwörungstheorien in verschiedensten Krisensituationen aufkommen, weil diese mit einem Gefühl von Kontrollverlust und mit emotionalem Stress verbunden sind.
Doch im Alltagsleben brauchen Menschen das Gefühl, die Kontrolle zu haben. Solche verschwörungsmythischen Erklärungen vermitteln den Eindruck, die Herrschaft über die Situation wiederzugewinnen.
Verschwörungstheorien in Alltagsgesprächen hinterfragen
Es könne schwierig sein, Verschwörungstheorien im Alltag zu begegnen, sagt Bangerter. Er hält es aber für sehr wichtig, sie in Alltagsgesprächen kritisch zu hinterfragen. Das sei ein kleiner Akt der Zivilcourage:
«Studien zeigen, dass wissensbasierte Argumentation eine Wirkung haben kann. Es ist auch nützlich, kritische Fragen zu stellen und so systematisch die Mängel der Theorie an den Tag zu bringen.»
Das sei nicht immer einfach, erwidert die Interviewerin. Eine aktuelle Verschwörungstheorie besage, der Sars-Covid-Erreger sei angeblich im Labor erzeugt und absichtlich verbreitet worden. Als Laie habe sie die wissenschaftlichen Argumente nicht zur Hand, um das zu widerlegen.
Antwort Bangerter:
«Sie können aber darauf verweisen, dass diese Verschwörungstheorie bei jeder neuen Krankheit oder Epidemie auftaucht. Man kann auch rückfragen, ob es nicht doch eine einfachere Erklärung gibt als diese Art von Theorie.»
Die Interviewerin weist dann darauf hin, dass Verschwörungstheoretiker doch gerade glauben, dass die einfache Lösung nicht richtig sein könne und die Mehrheit der Leute nicht skeptisch genug sei. Sie fragt, wie man dieser Haltung begegnen könne.
Antwort:
«In solchen Fällen wird es schwierig. Überzeugte Verschwörungstheoretiker sind sehr gewieft in der Diskussion, weil sie sehr viel Zeit in das Thema investieren. In solchen Fällen hat Argumentieren in einem Alltagsgespräch tatsächlich wenig Sinn.»
Ob er befürchte, dass während der aktuellen Pandemie Verschwörungstheorien in Umlauf kommen, die eine schädliche Auswirkung auf das Verhalten haben?
Man wisse aus der Forschung, dass Verschwörungstheorien zu gesundheitlichen Themen tatsächlich eine schädliche Auswirkung haben können»
« Man denke nur an die Theorien der Impfgegner, die fatale gesundheitlichen Konsequenzen haben. Ebenso Verschwörungstheorien zu Aids, die zu weniger Schutz bei Geschlechtsverkehr führen.
Es ist daher wichtig, weiterhin gegen solche Theorien zu kämpfen und zu argumentieren.»
Das Interview führte Irene Grüter.
Quelle:
Verschwörungen rund um Corona – «Verschwörungstheorien können eine schädliche Auswirkung haben» (SRF Kultur)
Die Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien im Alltag kann tatsächlich eine grosse Herausforderung sein.
Hier gibt es dazu Tipps und Anregungen:
Zum Umgang mit Verschwörungstheorien