Die Gastro-Kette Tibits hat sich in der Schweiz mit ihren Vegi-Restaurants in den letzten Jahren erfolgreich ausgebreitet. Das Online-Magazin «Republik» berichtet nun von den ausgesprochen kruden Ausflügen des Mitinhabers Christian Frei ins Reich der Verschwörungstheorien.
Der Gastro-Unternehmer fordert in einem Brief die Nummer zwei der Armee per Einschreiben dazu auf, die Schweizer Regierung zu verhaften und vor ein Kriegsgericht zu stellen. Zudem hält er in einem Keller seiner Restaurant-Kette ein Treffen ab, an dem der Systemumsturz besprochen wird.
Auf der Website des Tibits war Christian Frei bis zum Erscheinen des Beitrags in der «Republik» aufgeführt als der Mann, der seit der Gründung im Jahr 2000 «für den Wohlfühlfaktor im Gästebereich» zuständig ist, als Mitgründer und Leiter Corporate Design. Inzwischen ist der Eintrag verschwunden.
Im Brief an den Korpskommandanten Aldo C. Schellenberg schreibt der Tibits-Mitinhaber:
«Wir befehlen Ihnen, die sieben Bundesräte in Schweizer Gefängnisse einzusperren.» Die Dauer der Gefängnisstrafe betrage drei Jahre, und eine mögliche Verringerung oder Erhöhung der Freiheitsstrafe für die Bundesrätinnen hänge davon ab, «wie schnell der Mensch als natürliches souveränes Wesen das neue System gemäss den Bestimmungen der universellen konföderalen Verfassung organisiert haben wird».
Auf jeden Fall sei es ihnen untersagt, ihre Tätigkeit weiter auszuüben, schreibt Christian Frei.
Dass der eingeschriebene Brief an Schellenberg geht und nicht an Armeechef Thomas Süssli, begründet der Gastro-Unternehmer so: «Dem Armeechef selbst, Thomas Süssli, schenken wir kein Vertrauen, da er sich während der gesamten Dauer der kriminellen Machenschaften der Regierung passiv verhalten hat und sich somit des Landesverrats (hybrider Krieg), der Wirtschaftssabotage und der Verletzung der Menschen- und Völkerrechte mit der Regierung mitschuldig gemacht hat.»
Das Bundeshaus sei bis Ende Dezember zu räumen, fordert Frei.
Und er ergänzt, dass der Auftrag an Schellenberg übertragen werde, das Definitionsrecht wiederum «ausschliesslich beim Autor» liege.
Kopien des Briefes gingen an die Botschaften Russlands und der USA, heisst es im Schreiben vom 22. Dezember 2020, das sieben Wochen nach den US-Wahlen aufgesetzt wurde, «da die Schweizer Regierung am US-amerikanischen Wahlbetrug direkt beteiligt war und die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Donald J. Trump bevorsteht». Frei droht darüber hinaus, die Schweizer Regierung werde sich «auch hier wegen Landesverrats vor einem amerikanischen Substanz- oder Kriegsgericht verantworten müssen». Christian Frei schliesst den Brief mit folgenden Worten: «Möge der Friede Sie begleiten.»
Am selben Tag verschickt Christian Frei per eingeschriebenem Brief eine «Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses» an Simonetta Sommaruga, die bis Ende 2020 Bundespräsidentin war. «Sie wie auch Ihr kompletter Stab sind in Ihrer aktuellen Position untragbar und somit unerwünscht», schreibt Christian Frei an Bundespräsidentin Sommaruga, und kommt zum Schluss:
«Aufgrund der aktuellen Ereignisse bin ich gezwungen, Ihr aktuelles Anstellungsverhältnis zu beenden.»
Er schreibt, die Schweiz sei heute keine souveräne Demokratie mehr, sondern eine Firma mit «Sklaven-Personen-System».
Die Kündigung sei deshalb aus verhaltensbedingten Gründen notwendig: «Damit sind all Ihre Mandate und diese Ihres gesamten Stabs verloren und Berechtigungen erloschen.» Die Bundespräsidentin werde sich «vor Gott und dem internationalen Volkstribunal mit Leben und Privatvermögen verantworten müssen».
Neben dem Bundesrat haben in den Augen des Gastronomen auch Nationalrat, Ständerat und die Gerichte keine Existenzberechtigung mehr. Das erklärt Christian Frei im dritten Brief, den er an Bundesrat Ueli Maurer adressiert. Vom Finanzminister verlangt er die von der «Firma Eidgenossenschaft zu Unrecht erhobenen Steuern der letzten 10 Jahre» zurück.
Dem Finanzminister machte Frei auch klar, er sei nicht mehr bereit, «Bettelbriefe mit der Anfrage zur Unterstützung Ihrer Machenschaften» zu begleichen.
Die Briefe des Tibits-Mitinhabers sind voll mit Ausdrücken, die eng an die Konstrukte der rechtsradikalen Reichsbürgerbewegung in Deutschland anschliessen:
☛ Die Auffassung von der «Firma Eidgenossenschaft». Mit der Vorstellung, die Schweiz sei eine Firma, nehmen die Briefe direkt Bezug auf die rechtsextremen Reichsbürger, die überzeugt sind, dass Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine GmbH sei, die von fremden Mächten verwaltet und gesteuert werde.
☛ Die Vorstellung, sich selbst für souverän zu erklären, sich als Richter zu verstehen, der dem stellvertretenden Armeechef den Auftrag geben kann, die Regierung zu verhaften und ins Gefängnis zu stecken, weil sie uns mit Covid-19 geschädigt und betrogen und US-Präsident Donald Trump verraten habe.
☛ Die absurde Idee, er könne eine gewählte Regierung fristlos (Sommaruga) oder mit Kündigungsfrist (Maurer) entlassen.
Christian Frei fordert in seinem Brief an den stellvertretenden Armeechef, der Bundesrat gehöre auch vor ein US-Kriegsgericht gestellt, weil er am dortigen behaupteten Wahlbetrug mitgewirkt habe. Damit bewegt sich der Briefschreiber mitten in der QAnon-Verschwörungsideologie jener gewalttätigen und extremistischen Frauen und Männer, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol stürmten.
Tibits-Geschäftsleitung distanziert sich
Für die Geschäftsleitung des Tibits sind Daniel Frei und Reto Frei verantwortlich. Sie distanzieren sich klar von den Aussagen ihres Bruders Christian Frei.
Auf Twitter schreibt das Unternehmen:
«Tibits wird nicht von Christian Frei geführt, sondern von Daniel und Reto Frei. Wir stehen hinter den vom Bundesrat verordneten Massnahmen gegen Corona. Die Meinungen von Christian Frei sind rein privater Natur und decken sich nicht mit der Haltung von Tibits.»
Auch gegenüber der «Republik» distanziert sich die Firma:
«Auch wenn wir grundsätzlich die Meinungsäusserungsfreiheit respektieren, distanzieren wir uns ganz entschieden von den Ansichten bezüglich der Covid-Pandemie, die unser Bruder Christian äussert. Dies widerspricht den Werten des Tibits fundamental. Christian wurde deswegen schon im ersten Lockdown im März von seinen strategischen und operativen Tätigkeiten im Tibits entbunden.»
Quelle:
«Wir befehlen Ihnen, die sieben Bundesräte in Gefängnisse einzusperren» (Republik)
Im Artikel der Republik gibt es umfassendere Informationen zu diesem Fall.
Anmerkungen:
☛ Die Äusserungen von Christian Frei zeigen, dass sich der Mann in einer sehr realitätsfernen Parallelwelt bewegt. Seine Vorstellung, dass er Bundesräte fristlos entlassen und ins Gefängnis stecken kann, macht einen wahnhaften Eindruck. Fachleute betonen allerdings, dass es allgemein nicht sinnvoll ist, Verschwörungstheoretiker zu psychiatrisieren. In der grossen Mehrzahl sind Verschwörungstheoretiker im psychiatrischen Sinn nicht krank. In manchen Fällen kann es allerdings vorkommen, dass sich die beiden Phänomene vermischen. Das festzustellen, benötigt aber eine psychiatrische Diagnose.
☛ Die Äusserungen von Christian Frei sind hochgradig kompatibel mit Aussagen der «Reichsbürger» und der «Qanon-Ideologie».
☛ Für den Familienbetrieb Tibits ist die Situation zweifellos sehr schwierig. Zwar wurde Christian Frei von seinen Brüdern von allen operativen Funktionen im Betrieb freigestellt und auf der Website distanziert sich die Gastro-Kette von dessen Aussagen als «Corona-Skeptiker». Christian ist aber nach derzeitigem Kenntnisstand auch Mitinhaber und seine Aussagen sind deutlich extremer als die durchschnittlichen Aussagen von «Corona-Skeptikern». Er verlangt einen Militärputsch und phantasiert sich an die Stelle eines Autokraten. Das verlangt nach einer klaren Trennung auch im Aktionariat.