Das Phänomen der Verschwörungstheorien ist heute besonders auffallend und zudem heiss diskutiert. Doch eigentlich sind die Verschwörungstheorien sehr alt. Pascal Wagner-Egger sagt dazu im Portal «Swissinfo»:
„Sie entstanden, als Gesellschaften sesshaft wurden und der Kampf um Macht begann.“
Der Professor für Sozialpsychologie und Statistik an der Universität Freiburg (Schweiz) nennt drei Faktoren, die den heutigen Erfolg von Verschwörungstheorien erklären.
(1) Der gesellschaftspolitische Faktor:
Personen, die den Institutionen und dem heutigen System feindlich gegenüberstehen, neigen dazu, sich mit Verschwörungstheorien zu rechtfertigen.
Das wird gefördert durch reale Ungerechtigkeiten und soziale Ungleichheiten. Verschiedene Studien kommen zum Schluss: Je höher die Ungleichheit in einem Land ist, desto mehr Nährboden bekommen Verschwörungstheorien, häufig verbunden mit einem Rachediskurs der benachteiligten Gruppen.
Pascal Wagner-Egger erklärt dazu:
„Obwohl die Armut in der Welt reduziert wurde, ist sie noch lange nicht verschwunden, sondern hat mit der Pandemie sogar wieder zugenommen. Hinzu kommt, dass die Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten wächst. Und das nährt den Verschwörungsdiskurs.“
(2) Der psychologische Faktor:
Wagner-Egger weist darauf hin, dass es in unserer Natur liegt, naiv und unwissenschaftlich zu denken, insbesondere in angstauslösenden Situationen wie bei einem Terroranschlag oder einer Pandemie.
Er verweist auf das Beispiel einer Person, die nachts allein im Wald spazieren geht: Wenn dieser Mensch ein Geräusch hört, wird er sofort denken, dass es sich um ein Raubtier handelt oder jemanden, der ihm Schaden zufügen will.
Das liegt an der Art, wie sich unser Gehirn entwickelt hat. Überlebt haben im Verlauf der menschlichen Entwicklungsgeschichte unsere paranoidesten Vorfahren. Sofort an das Schlimmste zu denken, konnte einem Menschen früher das Leben retten. Das ist heute nicht mehr so. Die Eigenschaft ist jedoch geblieben.
Wagner-Egger erklärt dazu: ”Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass kognitive Verzerrungen, also diese Art des Überlegens, um zu überleben, nicht nur den Glauben an Verschwörungen, sondern auch an das Paranormale verstärken: Geister sehen oder menschliche Absichten wahrnehmen, wo keine sind. All das kommt von der Vergangenheit unserer Spezies.”
(3) Das Internet als Faktor für den Erfolg von Verschwörungstheorien:
Nicht nur können sich im Internet diese Verschwörungstheorien mit enormer Geschwindigkeit verbreiten, sondern es gerät auch nichts in Vergessenheit. Auf der Suche nach Informationen über eine Verschwörungstheorie stösst man leicht auf ähnliche ältere Inhalte, die dann wieder ausgegraben werden und ein Comeback bekommen. Ohne das Internet wären diese Beiträge in Vergessenheit geraten.
Quelle:
Warum Verschwörungstheorien so attraktiv sind (Swissinfo)
Ausserdem zu Punkt 2:
Mustererkennung als Kernelement in Verschwörungstheorien