Der «Neuschwabenland-Mythos» ist eine Verschwörungstheorie mit längerer Geschichte. Als «Neuschwabenland» wird eine küstennahe Gegend in der Antarktis bezeichnet.
Eine deutsche Expedition erkundete die Gegend in den Jahren 1938/39. Nach der Ankunft des Schiffs «Schwabenland» rammte die Besatzung an der Küste Pfähle mit Hakenkreuzfahnen in die Erde. Von dieser Szene gibt es sogar Fotografien. Laut dem «Neuschwabenland-Mythos» hat bis zum Kriegsende ein Geheimkommando dort Höhlen ausgehoben, einen autarken Außenposten eingerichtet und Vorräte eingelagert. Angeblich sollen sich hochrangige Nationalsozialisten und auch Adolf Hitler im Jahr 1945 dorthin zurückgezogen haben. Zusammen mit geheimen Waffen, Gold und anderen Wertensachen.
Der Physiker Holm Gero Hümmler befasst sich mit dem «Neuschwabenland-Mythos» in seinem Buch «Verschwörungsmythen – Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden». Er weist die Abwegigkeit dieser Verschwörungserzählung detailliert nach. Ihm fällt jedoch auch eine Veränderung der Erzählungen im Verlauf der Jahrzehnte auf.
Der Neuschwabenland-Mythos wird immer mythologischer und ausserirdischer
Holm Gero Hümmler schreibt zum Schluss seiner Ausführungen zum «Neuschwabenland-Mythos:
«Realistisch-naturwissenschaftlich betrachtet sieht es also weder für eine Nazi-Basis in Neuschwabenland noch für die angeblich von dort operierenden Flugscheiben sonderlich gut aus. Die vorgebrachten Beweise beschränken sich für Neuschwabenland auf einige angeblich verschwundene U-Boote und für die Reichsflugscheiben auf Sichtungen unidentifizierter Objekte am Himmel.
Bei der Frage, ob die von Verschwörungsgläubigen behaupteten Sachverhalte überhaupt möglich sind, muss man die Veränderungen ihrer Thesen über die Jahrzehnte berücksichtigen. Beide Mythen haben ihren Ursprung in typischen Gerüchten der Nachkriegszeit, die im Lauf der Jahrzehnte über Zeitungsberichte und propagandistische Bücher immer weiter aufgebläht wurden. Je offensichtlicher die technischen Ungereimtheiten in den Erzählungen wurden, desto mehr wurden diese Ungereimtheiten mit übernatürlichen, ausserirdischen oder mythologischen Behauptungen umgangen. In der Sache sind diese Behauptungen nach experimentell prüfbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen eindeutig falsch.
Wer sich also Sorgen um eine mögliche Rückkehr des Nationalsozialismus macht, sollte sich vielleicht lieber Gedanken um die eigene Nachbarschaft machen als nach Flugscheiben aus Neuschwabenland Ausschau zu halten.»
Quelle:
«Verschwörungsmythen – Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden», von Holm Gero Hümmler, Hirzel Verlag 2019
Anmerkung:
Mit der Empfehlung im letzten Abschnitt spricht Holm Gero Hümmler ein grundsätzliches Problem mit Verschwörungstheorien an: Sie lenken oft von realen Problemen ab und führen die Aufmerksamkeit zu eingebildeten Konstrukten. Dann befassen wir uns beispielweise intensiv mit dem als real vorgestellten Neuschwabenland-Mythos und fantasieren über die Möglichkeit, dass Hitler in der Antarktis lebt. Von den Nazis in unserem Umfeld bekommen wir dann nichts mit.
Hier geht’s zum Beitrag zum Neuschwabenland-Mythos in der Enzyklopädie: