Im Netz verbreiten Verschwörungsgläubige und Impfgegner Berichte, wonach die Bundesregierung in Deutschland angeblich Zwangsimpfungen gegen Covid-19 beschlossen hat. Eine dahingehende Gesetzesänderung soll auf dem Weg sein. Die Meldungen kommen mit einer ordentlichen Portion Dramatik daher.
Während global betrachtet die meisten Menschen sehnlichst auf einen Impfstoff gegen Covid-19 warten, gibt es eine kleine Minderheit, die Impfungen grundsätzlich ablehnt.
Gemeinsam mit verschiedenen anderen Gruppierungen machen solche Impfgegner im Internet gegen eine angebliche Corona-Zwangsimpfung mobil, die ab dem 15. Mai kommen soll. Grundlage dafür sollen Änderungen des Impfschutzgesetzes der Bundesregierung sein.
Ist an diesen Meldungen über Zwangsimpfungen etwas dran?
In einem schon eine Million Mal aufgerufenen Youtube-Video wird zum Beispiel behauptet, das Bundeskabinett habe den Impfzwang mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) am 29. April beschlossen.
Am 14. Mai solle diese Änderung im Bundestag besprochen werden. Liest man das IfSG und die vorgeschlagenen Änderungen durch, findet man jedoch nichts, was nur annähernd auf geplante Zwangsimpfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hinweisen würde. Sowohl das gegenwärtig gültige Gesetz als auch die vorgsehenen Änderungen sind frei einsehbar, „geheim“ ist daran gar nichts.
Immunitätsausweis als Hintertür?
Von geplanten Zwangsimpfungen kann also keine Rede sein. Verschwörungstheoretiker leiten jedoch aus neuen Formulierungen in Paragraf 28, Absatz 1, Satz 3 des IfSG ab, dass die Bundesregierung eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ einführen will.
Darin steht unter anderem, dass eine Person von Anordnungen und Durchführungen von Schutzmaßnahmen ausgenommen werden könne, wenn sie durch eine Impf- oder Immunitätsdokumentation ein ärztliches Zeugnis nachweisen kann, dass sie die bestimmte übertragbare Krankheit nicht oder nicht mehr übertragen kann.
Umstrittener Immunitätsausweis
Konkret geht es dabei um den von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagenen „Immunitätsausweis“, beziehungsweise einen entsprechenden Eintrag im Impfausweis. Mit Zwangsimpfungen hat das zwar alles nichts zu tun. Befürchtungen, eine derartige Bescheinigung könnte zu Ausgrenzungen und anderen Diskriminierungen führen, teilen jedoch auch Oppositionspolitiker und der Virologe Christian Drosten. Letzterer warnt nicht nur vor falschen Testresultaten, sondern auch vor den sozialen Folgen eines Immunitätsausweises.
Drosten sagt:
„Das kann ja so weit gehen, dass ich eine Stelle ausschreibe als Arbeitgeber und ich lasse mir den Immunitäts-Ausweis zeigen, und ich stelle nur Leute ein, die schon immun sind.“ Oder Krankenversicherungen könnten den günstigen Tarif nur den Menschen anbieten, die bereits eine Immunitäts-Bescheinigung haben, weil die Therapie von Covid-19 viel Geld kosten könne.
Dies könne sich auch im privaten Bereich fortsetzen, sagt Drosten. Zum Beispiel wenn man nur mit entsprechendem Zertifikat zum Geburtstag eingeladen werde. Drosten sieht die Gefahr, dass solche „sozialen Stigmatisierungen“ eine Gesellschaft zersetzen könnten. Dies müsse verhindert werden. Er glaube, das sei der Grund, warum die Weltgesundheitsorganisation (WHO)De vor so etwas warnt.
Vorerst keine derartigen Regelungen vorgesehen
Minister Jens Spahn hält so eine solche Bescheinigung zwar nach wie vor für „ganz normal“. Es gebe so etwas schliesslich auch bei anderen Virus-Erkrankungen. Man könne sich jederzeit vom Arzt einen Nachweis von Antikörpern etwa gegen Hepatitis und Masern auch in den Impfausweis eintragen lassen. Vorerst sind jedoch laut Spahn keine Regelungen geplant, inwieweit solche Immunitätsnachweise Ausnahmen von Alltags-Beschränkungen wie in der Corona-Krise ermöglichen könnten.
Quelle:
Corona-Gerüchteküche brodelt – Drohen wirklich Zwangsimpfungen? (n-tv)
Die Vorbehalte gegen allfällige Diskriminierungen durch solche Immunitätsausweise sind sicherlich ernst zu nehmen. Der Bericht zeigt aber auch auf, wie überzogen die gegenwärtigen Warnungen vor Zwangsimpfungen sind. Hier werden sehr gezielt von Demagogen Angst und Wut geschürt und politisch instrumentalisiert.