Bill Gates ist das beliebteste Ziel von wilden Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie. Kaum ein anderer Name wird gegenwärtig so oft erwähnt wie jener des Tech-Milliardärs. Gates wolle die Welt regieren, die Menschheit per Mikrochip steuern oder stecke sogar hinter der Pandemie, um Impfstoffe zu verkaufen, heisst es in entsprechenden Meldungen. Immer wieder wird dabei ein Video aus dem Jahr 2015 ins Feld geführt. Damals sprach Gates bei der Konferenz TED über das Risiko einer Pandemie. Die Welt solle sich weniger vor einem Atomkrieg und mehr vor einem globalen Ausbruch eines Virus sorgen, forderte er. Für Verschwörungstheoretiker ist das Beweis genug: Gates habe bereits vor einigen Jahren seinen perfiden Plan vorgestellt. Er könne also nur hinter dem neuen Coronavirus stecken. Der Milliardär wurde in der Coronakrise zum globalen Sündenbock aufgebaut
Digital-Expertin Ingrid Brodnig zu den Verschwörungstheorien um Bill Gates
Die bekannte österreichische Digital-Expertin Ingrid Brodnig hat zu den Verschwörungstheorien rund um Corona recherchiert:
„Die Corona-Krise verunsichert Menschen, sie suchen also nach Verantwortlichen, auf die sie wütend sein können. Sie brauchen einen Sündenbock. Zielscheibe sind unter anderem Superreiche.“ Bill Gates eigne sich dafür ideal:
„Der Name Bill Gates ist allen ein Begriff. Die Menschen haben sofort ein Gesicht vor Augen, wenn sie den Namen hören. Gleichzeitig wird er benutzt, um Wut gegen eine «globale Elite» zu schüren. In der Verschwörungstheoretiker-Szene wird oft von dunklen Akteuren gesprochen, die etwas Böses in Schilde führen, und Gates sei einer davon.“
Feindbild der Impfgegner
Denn Bill Gates ist nicht nur reich, er setzt sein Geld seit Jahren auch für wohltätige Zwecke ein. Die von ihm und seiner Frau aufgebaute Bill und Melinda Gates-Stiftung investiert seit Jahren Milliardensummen, hauptsächlich um Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern zu bekämpfen. Außerdem setzt sich Gates seit Jahren für die Entwicklung von Impfstoffen ein – gegenwärtig auch mit hohen Investitionen in die Forschung gegen das Coronavirus.
Das Perfide daran – so Digital-Expertin und Journalistin Ingrid Brodnig:
„Seine karitativen Tätigkeiten werden ihm jetzt zum Vorwurf gemacht. Impfgegner, aber auch Anhänger diverser Verschwörungstheorien glauben, hinter Gates Aktivismus stehen vor allem Geschäftsinteressen oder sogar der Wille, die Bevölkerung zu dezimieren. Tatsächlich aber beinhalten viele Vorwürfe Falschinformationen.“
Zahlreiche Behauptungen über Gates haben ihren Ursprung außerdem in wenigen Zitaten, die aus dem Kontext gerissen oder bewusst falsch interpretiert werden.
Falschinformationen über die Gates-Stiftung
Jedenfalls hat Gates bisher keine Milliarden durch Corona verdient:
„Laut dem Bloomberg-Billionär-Index hat Bill Gates seit dem Ausbruch der Corona-Krise 8,4 Milliarden Dollar an Vermögen verloren. Amazon-Gründer Jeff Bezos etwa habe im selben Zeitraum ordentlich dazuverdient, stellt Brodnig klar. Außerdem arbeitet die Bill und Melinda Gates-Stiftung nicht gewinnorientiert. Ihr erklärtes Ziel sei es, 20 Jahre nach dem Tod von Bill und Melinda Gates alle Finanzmittel aufgebraucht zu haben.
Auch die Aussage „Impfen ist die beste Art der Bevölkerungsreduktion“ – für die Bill Gates für die Gates immer wieder angeprangert wird – hat er nie getätigt. „Hier wird Gates falsch interpretiert“, erklärt Brodnig. Es gebe zwar ein Video, in diesem spreche er jedoch nicht von einer Bevölkerungsreduzierung, sondern von einer Verringerung des Bevölkerungswachstums.
Präziser gesagt, erklärt Gates darin, dass eine Reduktion der Sterblichkeitsrate das Bevölkerungswachstum verringert. „Gates Logik ist, je mehr Kinder geimpft werden, desto länger leben sie, und desto geringer fällt die Kindersterblichkeit aus. Denn in Entwicklungsländern kriegen Frauen auch deswegen viele Kinder, weil sie davon ausgehen, dass viele sterben werden. Wenn es aber eine Impfung gibt, werden weniger Kinder sterben und folglich werden die Eltern auch weniger Kinder in die Welt setzen“, erklärt Brodnig. Das sei ein gutes Beispiel dafür, wie Gates versuche, in Entwicklungsländern medizinische Zustände zu verbessern. Das Problem sei nur, dass kaum jemand sich das Video wirklich ansehe und überprüfe, was Bill Gates gesagt hat: „Verschwörungstheorien haben es da leicht, Fuß zu fassen.“
Bill Gates propagiert keinen Mikrochips zum Einpflanzen
Verschwörungsgläubige behaupten ausserdem, Gates wolle im Kampf gegen das Coronavirus den Menschen Mikrochips einpflanzen lassen – und so die totale Kontrolle erlangen. Auch diese Aussage sei falsch.
Gates sprach in diesem Zusammenhang nie von Mikrochips, sondern von „digitalen Zertifikaten“, aus denen hervorgehen soll, wer eine Infektion mit dem Coronavirus schon durchgemacht hat, wer kürzlich getestet wurde, oder dagegen geimpft ist. Diese Aussage wurde mit völlig anderen Projekten vermischt, die von der Gates-Stiftung unterstützt werden. Dazu gehören etwa unsichtbare Tattoos, um besser feststellen zu können, ob ein Mensch in einem entwicklungsschwachen Land schon geimpft wurde. Mit dem Coronavirus hat das laut Brodnig nichts zu tun.
Kritik an Gates darf sein
Neben den abstrusen Verschwörungstheorien gibt es allerdings auch Kritik an der Gates-Stiftung, die auf realen Fakten beruht. Sie arbeitet zum Beispiel mit umstrittenen Konzernen zusammen – wie Coca Cola und Monsanto. Diese Firmen arbeiten manchen Zielen der Stiftung entgegen.
Quelle: Das Hassobjekt (Tageszeitung Südtirol)
Zu Bill Gates siehe auch:
Lexikonbeitrag zu Bill Gates auf dieser Website:
Gates Bill – ein Lieblingsfeind der Verschwörungstheoretiker
Weitere Beitrage:
Abstruse Verschwörungstheorien zu Bill Gates
Corona-Pandemie: Bill Gates als Lieblings-Hassfigur der Verschwörungsgläubigen