Das Bistum Münster (Deutschland) hat die Beratungsstelle „Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt“ geschlossen. Das Angebot war bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (ELF) angesiedelt und bot die psychosoziale Begleitung für Betroffene.
Hintergrund der Schliessung sind schwere Vorwürfe gegen die beiden Mitarbeiterinnen wegen der Art der Beratung. So soll eine Beraterin einer Frau in Therapiestunden regelrecht eingeredet haben, ein Opfer ritueller Gewalt gewesen zu sein, obwohl es laut Bistum keine Nachweise für solche Taten und Verschwörungstheorien gebe.
Der Beauftragte für die ELF im Bistum Münster, Antonius Hamers, sagte im Zusammenhang mit der Schliessung der Beratungsstelle:
„Sicher ist, dass es organisierte sexuelle Gewalt gibt, etwa im Zusammenhang mit Kinderpornografie. In der Fachwelt, sowohl in der psychotherapeutischen als auch in der juristischen, ist jedoch der professionelle Umgang mit dem Thema rituelle Gewalt umstritten.“ Es seien weder Theorien über rituelle Netzwerke belegt noch konnte ritueller Missbrauch durch angeblich im Verborgenen organisierte Täterorganisationen nachgewiesen werden“, erklärte Hamers. Die Weiterführung der Beratungsstelle sei vor diesem Hintergrund nicht mehr länger vertretbar gewesen.
Betroffene Personen sollen sich an andere Beratungsstelle wenden
Das Bistum empfiehlt betroffenen Personen, sich an eine andere Beratungsstelle zu wenden.
Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat die gravierenden Vorwürfe in einem ausführlichen Beitrag aufgegriffen. Dort werden die Erfahrungen einer Frau geschildert, der im Verlauf einer angeblichen Traumatherapie eingeredet wurde, sie stehe im Bann eines Satanskults. Ihre «Therapeutin», eine approbierte psychologische Psychotherapeutin, sorgte nicht nur dafür, dass die Frau den Kontakt zu Freunden und Familie abbrach. Der «Therapeutin» gelang es auch, Amtsgericht und Jugendamt davon zu überzeugen, dass das Kind der Frau bei einer rituellen Massenvergewaltigung gezeugt worden sei und die Satanisten es zurückverlangen könnten. Das hat zur Folge, dass der Frau das Sorgerecht entzogen wird und ihre Tochter zu einer Pflegefamilie kommt.
Die nun geschlossene Beratungsstelle des Bistums Münster wurde von der im Spiegel geschilderten „Therapeutin“ geleitet.
Quellen:
Schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiterinnen: Rituelle Gewalt: Bistum schließt Beratungsstelle (Westfälische Nachrichten)
«Im Teufelskreis», von Beate Lakotta und Christopher Pilz, Spiegel Nr. 11/2023
Bistum Münster schließt Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt (Spiegel)
Anmerkungen:
Es gibt sexuellen Missbrauch. Es gibt auch organisierten sexuellen Missbrauch, zum Beispiel im Bereich Kinderpornografie oder Kinderhandel. Der Fall Epstein ist ein Beispiel für den organisierten Missbrauch Minderjähriger.
Wenn von rituellem Missbrauch die Rede ist, kommen Vorstellungen wie Kinderbluttrinken, Menschenopfer, Kannibalismus etc. ins Spiel. Für rituellen Missbrauch gibt es keine Belege, aber viele Hinweise, dass Therapeutinnen und Therapeuten hilfesuchenden Menschen solche Vorstellungen als Verschwörungstheorie einpflanzen können (False-Memory-Problematik). Es ist ein schwerer Missbrauch in der Therapie, wenn Therapeutinnen und Therapeuten ihre eigenen Fantasien den hilfesuchenden Menschen überstülpen.
Weitere Fälle dieser Art hat der Sender SRF in mehreren psychiatrischen Kliniken der Schweiz nachgewiesen.
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