In Brasilien ist der rechtsextreme Verschwörungsideologe Jair Bolsonaro abgewählt worden. Er hat in seiner Amtszeit als Präsident schamlos Verschwörungstheorien bewirtschaftet, Lügen verbreitet und die demokratischen Institutionen geschwächt. Bolsonaro war eine Trump-Kopie für Brasilien. Er ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Demokratien und auch der Rechtsstaat gefährdet sind, wenn ein führender Politiker auf Verschwörungstheorien setzt. Siehe dazu:
Warum sind Verschwörungstheorien eine Gefahr für demokratische Gesellschaften?
Verschwörungstheorien unterminieren den Rechtsstaat
Wie Donald Trump hat Bolsonaro schon im Vorfeld der Wahl die Verschwörungstheorie vom Wahlbetrug genährt. Nach dem Motto:
Wenn ich gewinne, akzeptiere ich das Wahlergebnis. Wenn ich verliere, kann es sich nur um Wahlbetrug handeln und lasse offen, ob ich das Wahlergebnis akzeptieren werde.
Das ist ein brandgefährliches, antidemokratisches Verhalten. Ist das Vertrauen in den Wahlprozess zerstört, verschwindet das Vertrauen in die Demokratie insgesamt.
Wer wie Bolsonaro systematisch auf Verschwörungstheorien setzt, vertieft die Polarisierung im Land. Die Lage in den USA zeigt eindrücklich, dass daraus ein Tribalismus entstehen kann, der nur noch schwer zu überwinden ist. Brasilien stehen stürmische Zeiten bevor.
Akzeptiert Bolsonaro das Wahlresultat?
Bisher schweigt der abgewählte Präsident. Es ist zentral für jede Demokratie, dass ein abgewählter Politiker die Niederlage akzeptiert und das auch öffentlich kundtut. Macht er das nicht, legt er eine Lunte und rollt den Teppich aus für Gewalttaten wie den Sturm auf das Capitol in Washington.
Dass der Rechtsextremist und Verschwörungsideologe Bolsonaro abgewählt wurde, ist eine gute Nachricht. Ob Brasilien mit Lula gut fährt, wird sich allerdings erst weisen müssen.
Der Tages-Anzeiger schreibt dazu:
«Lula regierte Brasilien bereits von 2003 bis 2011. Damals florierte die Wirtschaft, Millionen schafften den Weg aus der Armut. Lula hatte Zustimmungswerte von über 80 Prozent und wurde zur Ikone der Linken. Ein grosser Teil seines Wahlkampfs bestand darin, die Rückkehr dieser goldenen Zeiten zu versprechen.
Doch Lulas dritte Amtszeit steht unter schwierigen Vorzeichen. Der Rohstoffboom ist vorbei. Die Bevölkerung leidet unter der Inflation. Auch von Lulas Ikonen-Status ist wenig übrig geblieben. Wie nach seiner Amtszeit bekannt wurde, grassierte unter seiner Regierung die Korruption. Lula selber wurde wegen Geldwäsche verurteilt. Dieses Urteil wurde zwar später aus formellen Gründen aufgehoben, doch ein grosser Teil der Bevölkerung sieht in ihm einen Kriminellen.
Auch muss der unterdessen 77-Jährige gegen grosse Widerstände kämpfen. In den einzelnen Gliedstaaten und im Parlament haben rechte Kandidatinnen und Kandidaten wichtige Ämter und Sitze gewonnen. Es wird für Lula schwierig, sein Wahlprogramm durchzusetzen. Die rechte Opposition wird sich mit aller Kraft gegen den verstärkten Schutz des Amazonas und gegen zusätzliche Transferzahlungen für die Armen wehren.»
Quelle:
Analyse zur Wahl in Brasilien: Lula siegt – aber Bolsonaros Schweigen beunruhigt
(Tages-anzeiger, Abo)
Lula hat sich für diesen knappen Wahlsieg zudem ziemlich verbiegen müssen, um im konservativen, rechten und evangelikalen Spektrum noch ein paar Stimmen zu holen.
Absurde Aussage zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine
Wie sich Lulas Wahlsieg auf die brasilianische Position zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auswirken wird, ist noch nicht abzusehen.
Bolonaro steht Putin in einer autokratischen Männerfreundschaft nahe und teilt mit ihm viele ideologische Vorstellungen der konservativen Rechten. Neid und Bewunderung wegen der Machtfülle des Kremlherrschers dürften dabei auch eine Rolle spielen.
Lula wiederum hat sich zum Angriffskrieg Russland komplett abwegig geäussert. Er warf noch im Mai 2022 dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor, dass er nur Krieg führe, um im Fernsehen zu kommen:
«Lula hält es für unverantwortlich, dass westliche Politiker Selenskyj feiern, anstatt sich auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu konzentrieren.
Um dann einen wirklich ungeheuerlichen Vorwurf zu erheben. „Sie ermutigen diesen Kerl, und dann denkt er, er sei das Sahnehäubchen auf Ihrem Kuchen. Wir sollten ein ernsthaftes Gespräch führen. OK, Sie waren ein netter Komödiant. Aber lassen Sie uns keinen Krieg führen, nur damit Sie im Fernsehen auftauchen.“»
Quelle:
Brasiliens Ex-Präsident Lula: „Selenskyj hat so viel Schuld am Krieg wie Putin!“
(Berliner Zeitung)
Das ist im besseren Fall vollständiges Unwissen und im schlechteren Fall totale Verblendung. Möglicherweise spielt auch ein alter Antiamerikanismus der Linken in Lateinamerika mit. Auf dem Hintergrund der blutigen Geschichte US-amerikanischer Kriege und Interventionen in Lateinamerika ist eine kritische Haltung gegenüber den USA nachvollziehbar. Fatal ist allerdings, wenn daraus nach dem Motto «Der Feind meines Feindes ist mein Freund» eine Nähe zu Putins Russland wird. Dieser klassische Feindbild-Mechanismus funktioniert allerdings auch bei politischen Akteuren in Europa, vor allem am linken und rechten Rand. So treffen sich dann in Deutschland Parteien wie Die Linke und die AfD in ihrer Putin-Affinität. Beispiele für diesen Feindbild-Mechanismus bietet auch der «Truther» und selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser, den sein Antiamerikanismus prompt immer wieder in grosse Nähe zu russischer Propaganda führt. Siehe dazu:
Was Daniele Ganser mit Wladimir Putin gemeinsam hat
Daniele Ganser und die Kreml-Propaganda vom «Majdan-Putsch» in der Ukraine
Daniele Ganser zum Ukraine-Krieg
Dem wunderbaren Brasilien kann man nur alles Gute wünschen.