Dr. Jens Soentgen leitet das Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg. Er sieht angesichts der Verschwörungstheorien zum Corona-Virus massive Gefahren für Wissenschaft, Gesellschaft und Demokratie. Soentgen warnt vor einem Rückfall in ein vormodernes Zeitalter und betont dabei gleichzeitig die Bedeutung von Kritik. Der Chemiker und Umweltphilosoph erforschte schon im Zusammenhang mit dem Klimawandel, weshalb die Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen zunimmt.
Dabei empfiehlt Soentgen eine differenzierte Sichtweise auf die Wissenschaftskritiker: „Man kann ihnen nicht einfach pauschal das Aluhütchen überstülpen und sagen: Ihr seid vormodern. Die Kritik an der Zweckmäßigkeit und an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen – jetzt in der Corona-Krise und beim Kampf gegen den Klimawandel – ist legitim. Wo aber die Forschung pauschal verdächtigt und verleumdet wird, da müssen wir uns zur Wehr setzen.“
Es kommt also auf einen balancierten Umgang mit der Kritik an. Denn auch von Seiten der Wissenschaft dürfen keine Verleumdungen und Pauschalisierungen kommen, fordert Soentgen: „Als Kritiker bestimmter Maßnahmen gegen den Klimawandel ist man nicht gleich ein Verschwörungstheoretiker.“ Wer anderen die Legitimität seiner Meinung abspreche, verbaue sich die Chance, sie mit seinen Argumenten zu erreichen, sagt der Umweltphilosoph.
Kritik ist notwendig
Die zunehmende Verbreitung von Verschwörungstheorien einfach zu ignorieren, hält Soentgen aber für grundlegend falsch: „Unsere Demokratie fußt darauf, dass die Politik ihre Entscheidungen an rationalen Kriterien ausrichtet“, unterstreicht er. „Kritik an Wissenschaft und ihren Erkenntnissen ist dabei nicht nur erlaubt, sondern sogar essentiell – sie ist ein Motor, der Forscherinnen und Forscher zu neuen Erkenntnissen antreibt. Wenn diese Kritik dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn aber insgesamt die Legitimation abspricht, wenn sie Wissenschaftler pauschal unter Verdacht stellt, wird sie zu einer elementaren Bedrohung für unsere Gesellschaft und Demokratie. Das Unternehmen der modernen Wissenschaft steht heute unter Beschuss.“
Quelle:
(Augsburger Zeitung)
Siehe zu diesem Thema auch:
Wissenschaftsverweigerung / Wissenschaftsleugnung
Kritik ist zweifellos wichtig für Demokratie und Wissenschaft. Sie sollte aber möglichst differenziert sein und auf Argumente setzen. Siehe dazu auch:
Ein wichtiger Aspekt ist die Unterscheidung zwischen gesundem Zweifel / gesundem Misstrauen einerseits, und toxischen Zweifel / toxischem Misstrauen anderseits. Siehe dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen