In einem Vortrag spricht Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig über verschiedene Ideologien und Ideologen.
Sie charakterisiert dabei die gemeinsame Struktur des ideologischen Denkens, also das, was verschiedene Ideologien und Ideologen im Denken verbindet, seien sie linker, rechter oder islamistischer Couleur. Die Beschreibung passt auch auf viele Verschwörungsideologien.
Ideologen sehen die Welt in einem absoluten Krisenmodus. Der Niedergang ist auf seinem Tiefpunkt angelangt. Jetzt muss die entscheidende Wende, die Revolution, kommen. Weil die Welt am Abgrund steht, sehen sich Ideologen in einer Notwehrlage, die jedes Mittel rechtfertigt, um den drohenden Untergang abzuwenden.
Ideologen betrachten ihr Tun also als Reaktion. Sie reagieren ja nur auf das Unheil, das schon vorhanden und im Begriff ist, alles zu verschlingen. Sie sind die potenziellen Retter, die Heilsbringer und haben insofern alles Recht der Welt für die rettende Tat sämtliche Mittel einzusetzen, die zur Verfügung stehen, auch solche, die unter normalen Umständen verboten wären. Das scheint die Grundlegitimation aller ideologisch geprägten Revolutionen zu sein und es findet hier eine Umwertung der Werte statt. Was ansonsten als böse gilt, beispielsweise Zwang, Folter, Mord, wird unter dem Vorzeichen der Sorge für das menschheitsgeschichtliche Heil zum Guten, auf jeden Fall jedoch zum Erlaubten, zum geradezu Gebotenen. Denn schliesslich steht das Schicksal der Welt auf dem Spiel. Ideologen sind überzeugt davon, dass hier keine normalen Massstäbe angelegt werden dürfen.
Quelle:
Vortrag von Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig an der Katholischen Akademie Bayern
(modifizierte Abschrift aus dem YouTube-Kanal, kein wörtliches Zitat). Den ganzen Vortrag können Sie am Schluss dieses Beitrags anschauen.
Anmerkungen zu Thema «Ideologien und Ideologen»
Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig lehrt und forscht als Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau. Sie fasst den Charakter es ideologischen Denkens in diesem Vortrag sehr einprägsam zusammen.
Diese Endzeiterwartungen, diese Apokalypsephantasien der Ideologen haben auch in manchen religiösen Strömungen und in manchen Verschwörungstheorien bzw. Verschwörungsideologien einen hohen Stellenwert.
Endzeiterwartungen in Verschwörungsideologien zeigen sich zum Beispiel:
☛ wenn ein weltweiter Facebook-Ausfall QAnon-Gläubige in Endzeitstimmung versetzt:
Facebook-Ausfall befeuert Endzeitstimmung von Verschwörungsgläubigen
☛ wenn Verschwörungsgläubige dem «Great Reset» entgegenfiebern:
Reset – ein Grundbegriff in vielen Verschwörungstheorien
☛ wenn ein antisemitischer und rechtsextremer Roman wie die «Turner Tagebücher» den Endkampf der arischen Rasse propagiert.
Turner Diaries (Turner-Tagebücher) – ein rechtsextremer Roman als Hassvorlage
Solche Endzeitphantasien der Ideologen oder auch Verschwörungsideologen erzeugen Handlungsdruck («Es ist fünft vor Zwölf). Daraus können sich Ideologen eine Rechtfertigung für Gewalt basteln. Siehe:
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt
Hier geht’s zum Vortrag von Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig:
Die Legitimation des Bösen? Hitlers „Mein Kampf“: