Die österreichische Zeitung «Der Standard» hat die Philosophin Caroline Heinrich zum Thema Verschwörungstheorien befragt. Im Interview wird Heinrich gefragt, was es brauche, damit aus der kruden Idee eines Einzelnen eine echte, große Verschwörungstheorie werden kann:
«Dazu braucht es zunächst ein großes Ereignis oder eine Kette kleinerer Ereignisse, die von vielen als unerklärlich und bedrohlich empfunden werden, und eine imaginierte Gruppe von Verschwörern, gegen die möglichst viele bereits Ressentiments hegen, z. B. Kommunisten, Juden, die CIA etc. Von großem Vorteil ist es dann, wenn man diesen ein irgendwie plausibles Motiv unterstellen kann. Zudem gilt: Je böser die angeblichen Verschwörer dargestellt werden, umso größer die Attraktivität der Verschwörungstheorie. Soll diese intellektuell anspruchsvoll sein, empfiehlt sich die häufige Verwendung von Analogieschlüssen. Außerdem sind eine Fülle von „Beweisen“ anzuführen, inklusive Aussagen von Leuten, die nicht in Verdacht stehen, Anhänger einer Verschwörungstheorie zu sein, also etwa Aussagen bestimmter Experten, die sich zu bestimmten Sachfragen äußern. Und dann sollte man sich selbst als jemanden darstellen, der nur Fragen stellt und begründeterweise die „offiziellen Darstellungen“ in Zweifel zieht.»
Quelle:
KRANKHEIT DES VERSTANDES
Krude Corona-Ideen: „Eine Verschwörungstheorie soll Sicherheit schaffen“
(Der Standard)
Ein gut verankertes Feindbild oder Ressentiment ist auf jeden Fall eine passende Voraussetzung.
Die Coronakrise zeigt, dass aus einem an sich neutralen Ereignis wie einer Viruserkrankung, jeder und jede eine Verschwörungstheorie basteln kann. Und diese Verschwörungstheorien entsprechen perfekt den eigenen Feindbildern und Ressentiments.
Die Verschwörungstheorien rund um Covid-19 könnten jedenfalls widersprüchlicher nicht sein.
Den «Trick» der Verschwörungstheoretiker, angeblich nur Fragen zu stellen, hat der Historiker Philipp Sarasin gut auf den Punkt gebracht:
«Genau dieser Verneinung – „ich sage ja nicht, dass…, ich frage nur“ – verdanken Verschwörungstheorien in unseren postmodernen, gegenüber Wahrheitsbehauptungen skeptischen Gesellschaften ihr Funktionieren, ihre Attraktivität und ihre Durchschlagskraft: Sie sind als Frage getarnte Theorien, die nicht widerlegt werden können. Sie müssen nicht unbedingt explizit die Verschwörer benennen – vor allem dann nicht, wenn sie sich nicht gänzlich ins paranoide Reich der Geisterseher verabschieden, sondern gleichsam noch „massenmedientauglich“ bleiben wollen. Eine solche Verschwörungstheorie kann sich ganz darauf beschränken, in den leeren Raum, den ihre Fragen öffnen, ihre unausgesprochenen Antworten als bloße Vermutungen stehen zu lassen. Durch die Behauptung aber, nur Fragen zu stellen und keine Aussagen zu machen, ist sie nicht zu widerlegen; sie hält die Türe zum Reich der Geisterseher ständig offen.»
Quelle:
Was ist falsch an Verschwörungstheorien? (Geschichte der Gegenwart)
Charakteristische Merkmale von Verschwörungstheorien sind hier beschreiben:
Wodurch zeichnen sich Verschwörungstheorien aus? Merkmale, Charakteristika