Ibrahim Naber schreibt in der «Welt» zur Radikalisierung im Internet: «Menschen, die sich in digitalen Wahnsinnswelten radikalisieren, sind die gefährlichsten Feinde unserer Demokratie. Wer sie als bloße Spinner abtut, verkennt die wahre Bedrohung. Die Verfassungsschützer sollten so schnell wie möglich reagieren.»
Ergänzend dazu einige Kernpunkte aus dem informativen Beitrag:
☛ Naber betont zu Beginn, dass jeder Bürger in Deutschland das Recht habe, das Coronavirus zu leugnen. Der Korridor der Meinungsfreiheit biete hierzulande viel Raum. Es sei dumm und entbehre jeder Grundlage, aber strafrechtlich relevant sei das Leugnen dieser, unserer Realität nicht.
☛ Naber weist aber auch auf eine neue Form des Extremismus hin:
«„Verschwörungsextremisten“. Es sind Menschen, die sich in offenen oder geschlossenen Chatgruppen großer Netzwerke kennenlernen und gegenseitig hochschaukeln. Ihre Wut speist sich aus zwei demokratiefeindlichen Zutaten: Lügen und Verschwörungstheorien. Sie wittern ein Komplott der Regierung oder „Elite“, schwadronieren vom „Großen Austausch“ oder „Zwangsimpfungen“. Diese Entrücktheit macht Anhänger von Zusammenschlüssen wie QAnon zu den gefährlichsten Feinden unserer heutigen Demokratie.»
☛ Der Autor stellt die Frage, ob Verfassungsschützer und Politiker entschieden genug gegen die Bedrohung durch diese neue Form des Extremismus vorgehen – und äussert Zweifel, ob das der Fall ist.
☛ Diese Bedrohung sei nicht nur ein zeitlich begrenztes Phänomen dieser Pandemie. Bereits lange bevor Donald Trumps durch Verschwörungstheorien angestachelter Mob das Kapitol stürmte, haben rechtsextreme Verschwörungstheoretiker aus der digitalen Welt Anschläge verübt – auch in Deutschland.
☛ Auch Teile der Kapitol-Stürmer in Washington hielten ihre Taten in Echtzeit für ihre Onlinefans fest.
☛ Der Mob probte den Aufstand, weil die Leute eine Verschwörung witterten. Die US-Präsidentschaftswahl: geklaut, ein einziger Wahlbetrug. Ihr Land: unterwandert von Kinderschändern, jedenfalls nach den absurden Vorstellungen der QAnon-Verschwörungsideologie. Der Mob ist daher überzeugt von seiner Mission: Rettung der USA. Naber schreibt:
«All das dachten viele von ihnen wirklich. Es ist das erlogene Narrativ, das ihre gesamte Bewegung zusammenhält. Hunderte, Tausende Menschen gehören ihr an.»
☛ Naber verweist auf den Terrorismusforscher Peter R. Neumann. Der warnt davor, dass Teile dieser Bewegung um QAnon sich in den kommenden Jahren zur größten terroristischen Bedrohung für die USA entwickeln könnten. Er schreibt auf Twitter „Eine größere Gefahr als der Dschihadismus“. Dafür gibt er mehrere Gründe an. Er geht davon aus, dass die Verschwörungsbewegung mehr Menschen und mehr Waffen vereine. Gleichzeitig kämpfe sie gegen einen Gegner im eigenen Land, wodurch die Polarisierung verstärkt werde. Der Terrorismusforscher geht ausserdem davon aus, dass QAnon bereits Polizei und Militär infiltriert hat.
☛ QAnon umfasst auch in Deutschland bereits Tausende Anhänger. Sie glauben an ein im Verborgenen wirkendes Netzwerk an Pädophilen, das die Gesellschaft unterwandert und Kinder tötet, um daraus ein angebliches Verjüngungsmittel zu gewinnen (Adrenochrom). Ausserdem glauben sie an die Existenz eines „deep state“ (tiefer Staat).
☛ Anhänger von Verschwörungstheorien sind bisher kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Sie sind es nur dann, wenn sie bereits unter eine der etablierten Extremismuskategorien fallen. Allerdings wurde festgestellt, dass Verschwörungstheorien rund um den Sturm auf das Kapitol innerhalb der „Querdenken“-Bewegung aufgegriffen wurden. Naber zitiert das BfV mit folgender Aussage: „Bei einigen zentralen Protagonisten der Szene wurde die Theorie verbreitet, dass der Angriff auf das Kapitol unter falscher Flagge durch Kräfte der Antifa durchgeführt wurde.“
Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg stuft „die verbreiteten Verschwörungsmythen“ als grosse Gefahr ein, „die teilweise mit dem Ziel eines (politischen) Umsturzes verknüpft werden“. Das sieht durchaus nach Bedrohung aus.
Naber fordert abschliessend, dass den Worten der Verfassungsschützer so schnell wie möglich Taten folgen sollten.
Quelle:
Die Verschwörungs-Extremisten sind unter uns (Welt online)
Anmerkungen zur Bedrohung durch Verschwörungstheorien:
Der Artikel zeigt die Bedrohung demokratischer Gesellschaften durch Verschwörungstheorien gut auf. Das scheinen viele Politikerinnen und Politiker noch nicht begriffen zu haben. Es braucht politische Strategien zur Eindämmung dieser demokratiefeindlichen Strömungen.