Die Zahl der Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien hat in der Pandemie markant abgenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus der Schweiz. Die verbliebenen Verschwörungstheoretiker dürften sich jedoch weiter radikalisieren, vermutet ein Experte.
Corona-Verschwörungstheorien hatten während der Pandemie Hochkonjunktur. Darunter auch faktenfreie Behauptungen wie, dass das Coronavirus absichtlich in einem Biolabor entwickelt wurde oder dass Bill Gates die Menschheit zwangsimpfen wolle.
Wer nun jedoch glaubt, die Corona-Pandemie habe mehr Menschen in die Reihen der Verschwörungstheoretiker und Verschwörungstheoretikerinnen gelockt, täuscht sich womöglich. Dies legt jedenfalls eine neue repräsentative Studie nahe, die am Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführt wurde.
So glaubten im Jahr 2018 noch 36 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer an Verschwörungstheorien. 2021, also mitten in der Corona-Pandemie, sank der Anteil um 8 Prozentpunkte und liegt heute noch bei 28 Prozent.
Experten vom Rückgang der Verschwörungstheoretiker überrascht
ZHAW-Institutsleiter Dirk Baier zeigt sich von diesem Resultat überrascht. In den letzten zwei Jahren sei sehr viel über Verschwörungstheorien diskutiert worden, wodurch der Eindruck entstand, dass die Corona-Krise ein Treiber für solche Theorien sei.
Dirk Baier nennt Gründe, weshalb diese Gesundheitskrise als Bremse für Verschwörungstheorien gewirkt haben könnte:
Zum einen seien Verschwörungstheoretiker, die es bereits gab und die sich trauten, das auch zu zeigen, auf die Strasse gegangen. Sie seien damit auch sichtbar geworden.
Zum anderen hätten jedoch die lauten und teilweise aggressiven Proteste offenbar auf zahlreiche Menschen eher abschreckend gewirkt. Viele Menschen hätten sich das nochmals genauer überlegt und seien dann vom verschwörungstheoretischen Denken abgerückt, vermutet Baier.
Dirk Baier geht davon aus, dass der Anteil der Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, eher noch sinken wird. Gleichzeitig dürfte die verbleibende Anhängerschaft noch extremer werden und sich noch stärker radikalisieren. Der Grossteil der Verschwörungstheoretiker und Verschwörungstheoretikerinnen ist gemäss der ZHAW-Studie älter, unsicher, hat ein eher pessimistisches Weltbild und nimmt die Welt als ungeregelt wahr, erklärt Baier.
Die Resultate der repräsentativen Schweizer Studie decken sich mit den Ergebnissen von Studien beispielsweise in Deutschland. Denn auch in Deutschland hat sich gemäss Baier gezeigt, dass die Corona-Krise zahlenmässig eher ein Bremser als ein Treiber des Verschwörungsdenkens ist.
Quelle:
Studie zu Verschwörungen: Es gibt weniger Verschwörungstheoretiker – trotz Coronakrise (SRF)
Ergänzend:
Verschwörungstheoretiker sind während der Corona-Pandemie fraglos lauter und sichtbarer geworden. Ausserdem sind sie insbesondere via Telegram intensiv vernetzt und bewegen sich über weite Strecken in geschlossenen Kreisen. Das vermittelt leicht das Gefühl, einer Mehrheit anzugehören und verstärkt Tendenzen zur Radikalisierung. Auch wenn die Anhängerschaft von Verschwörungstheorien möglicherweise abnimmt, können verbleibende radikalisierte Verschwörungstheoretiker erhebliche Gefahren mit sich bringen. Verschwörungstheorien liefern Attentätern scheinbare Legitimationen für Gewalttaten. Siehe dazu: Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt
Ausserdem untergraben mache Verschwörungstheorien Demokratie und Rechtsstaat. Siehe dazu:
Warum sind Verschwörungstheorien eine Gefahr für demokratische Gesellschaften?
Verschwörungstheorien unterminieren den Rechtsstaat
Ein krasses Beispiel dafür, wie Verschwörungstheoretiker Demokratie und Rechtsstaat angreifen können, ist die Lüge vom Wahlbetrug, die in den USA die Grundlage bot für einen versuchten Staatsstreich am 6. Januar 2021.
Das sind Grunde genug, die Gefahren durch Verschwörungstheorien ernst zu nehmen.