Der «Watergate-Skandal» wird immer wieder mal als Beispiel aufgeführt für eine Verschwörungstheorie, die wahr geworden sei. Richtig daran ist, dass «Watergate» eine Verschwörung war. Falsch ist, dass es vorgängig dazu eine passende Verschwörungstheorie gab, die sich als war herausgestellt hat.
Als Watergate-Skandal (oder Watergate-Affäre, kurz Watergate) bezeichnet man eine Reihe von gravierenden Missbräuchen von Regierungsvollmachten, die es während der Amtszeit des republikanischen Präsidenten Richard Nixon (20. Januar 1969 bis 9. August 1974) in den USA gab. Die Aufdeckung der Missbräuche begann mit der Verhaftung von fünf Personen, die im Auftrag des Weissen Hauses im Watergate-Gebäudekomplex in Washington in das Hauptquartier der Demokratischen Partei einbrachen. Sie hatten dort offenbar versucht, Abhörwanzen zu installieren und Dokumente zu fotografieren.
In der Folge kam es zu umfangreichen FBI-Ermittlungen und Recherchen von Investigativ-Journalisten. Unterstützt wurden die beiden Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post durch einen Informanten („Deep Throat“) aus dem FBI half den Journalisten dabei, indem er die jeweiligen Rechercheergebnisse bestätigte oder ihnen sagte, wenn sie auf der falschen Fährte waren.
Die Offenlegung der Missbräuche führte schließlich zum Rücktritt Nixons am 9. August 1974. Damit kam er einer drohenden Amtsenthebung (Impeachment) zuvor.
Watergate – eine aufgeflogene Verschwörung
Mit dem Watergate-Skandal hat sich nicht eine Verschwörungstheorie als wahr erwiesen. Verschwörungstheoretiker haben wohl noch nie eine reale Verschwörung aufgedeckt. Sie erfinden Verschwörungen in ihrer Fantasie. Reale Verschwörungen werden von Ermittlungsbehörden, investigativen Medien, Whistleblowern und anderen Hinweisgebern aufgedeckt. So wie es bei Watergate geschah.
Der Amerikanist Michael Butter schreibt:
«Ein…Beispiel, auf das gerne verwiesen wird, um zu zeigen, dass es angeblich immer wieder Verschwörungstheorien gibt, die sich im Nachhinein als wahr herausstellen, ist die Watergate-Affäre. Doch bevor es hier zu den ersten Verhaftungen kam, gab es keinerlei Verdächtigungen, sprich: Theorien, die sich gegen Nixon oder seine Mitarbeiter richteten. Und als die Aufarbeitung der Affäre ins Rollen kam, waren alle Beteiligten – von den Mitgliedern der Senatskommission, die die Vorfälle untersuchte, bis zu den investigativen Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein…äusserst vorsichtig mit Verdächtigungen, für die es keine Beweise gab. Die gut belegten Enthüllungen zur Affäre unterscheiden sich somit völlig von den bis heute unbewiesenen Behauptungen der Verschwörungstheoretiker, welche die offizielle Version der Ereignisse entweder nur für die Spitze des Eisbergs oder aber für ein geschicktes Ablenkungsmanöver halten. Sie brachten Nixon mit der Mafia in Verbindung, sahen in ihm das Opfer eines CIA-Komplotts und betrachteten das Ganze lediglich als ein Puzzlestück in einer Reihe von Superverschwörungen, die praktisch jedes Ereignis der jüngeren amerikanischen Geschichte umfassten.»
Echte Verschwörungen fliegen meist auf
Verschwörungstheorien sind nicht realitätsgerecht. Michael Butter umschreibt das so:
«Die Watergate-Affäre bestätigt…einmal mehr, dass die gross angelegten Komplottszenarien der Verschwörungstheoretiker der Realität nicht gerecht werden. Wenn der amerikanische Präsident, den wir gemeinhin den mächtigsten Mann der Welt nennen, nicht einmal den politischen Gegner in dessen Parteizentrale ausspionieren kann, ohne dass es publik wird, weshalb er schliesslich zurücktreten muss, wie soll es dann gelingen, die Mondlandung, 9/11 oder die Flüchtlingskrise zu inszenieren und dies über Jahre oder Jahrzehnte hinweg geheim zu halten? Insofern ist es tatsächlich ein weiteres Charakteristikum von Verschwörungstheorien, dass sie nicht stimmen.»
Quellen:
«Nichts ist, wie es scheint – über Verschwörungstheorien», von Michael Butter, Suhrkamp 2018.
Beitrag zur Watergate-Affäre auf Wikipedia.