Tobias Ginsburg tauchte acht Monate lang inkognito in die Reichsbürger-Szene ein und berichtete davon in seinem Buch «Die Reise ins Reich: Unter Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verschwörungstheoretikern». Undercover reist er durch Deutschland und besucht verschiedene Gruppierungen, wird Untertan eines Königreichs, macht mit bei Plänen zum Sturz der BRD GmbH und für ein germanisches Siedlungsprojekt in Russland.
In einem Interview mit belltower.news wird Ginsburg nach dem Kern der Reichsbürger-Ideologie gefragt.
Antwort:
«Im Kern der Bewegung steht eine einzige, aber dafür verflucht effektive Verschwörungstheorie: „Wir, das deutsche Volk, sind Opfer einer Weltverschwörung, und die Bundesrepublik ist nur ein Teil dieses düsteren Komplotts. Deswegen ist sie kein legitimer, souveräner, richtiger Staat.“ Die Details dieser wahnsinnigen Theorie sind austauschbar und so unterschiedlich wie die Szene selbst. Manche ihrer Anhänger wollen sich als Selbstverwalter vom verhassten Staat lossagen, andere wollen ihn bekämpfen. Manche halten an den Grenzen von 1937 fest, andere glauben, die BRD habe keine Verfassung oder keinen Friedensvertrag. Oder sie glauben in einer heimlichen Diktatur zu leben oder einem bösartigen Marionettenstaat – gesteuert von sinisteren Weltregenten. Auf die wiederum kann man sich einigen: auf die Idee einer kleinen Machtelite, die das Weltgeschehen kontrolliert und das deutsche Volk unterjocht. Man glaubt sich im gemeinsamen Überlebenskampf: Wir gegen Die-da-oben.»
Wie gefährlich ist die Reichsbürger-Szene?
Tobias Ginsburg wird im Interview auch gefragt, wie gefährlich die Reichsbürger-Szene sei. Der Autor schätzt die Gefahr als gross ein und zwar in zwei Bereichen:
Unmittelbare Gefahr sieht er ausgehend von labilen Menschen, die all die rechten Parolen und Schreckensszenarien wortwörtlich nehmen und glauben, in Notwehr handeln zu müssen.
Für noch beunruhigender hält Ginsburg, dass durch neurechte Bewegungen und die AfD derartige Wahnvorstellungen normalisiert werden und immer weiter Einzug ins Bürgertum halten.
Es fehle ganz gewaltig an einer Sensibilisierung für Verschwörungsideologie:
«Die Unterscheidung zwischen politischer Meinung, meinetwegen auch rechter Gesinnung und rechtsextremen Lügengeschichten. Denn die stetig voranschreitende Vermischung ist saugefährlich.»
Quelle:
REISE INS REICH — EIN INTERVIEW MIT TOBIAS GINSBURG (belltower.news)
Und hier die Angaben zum Buch von Tobias Ginsburg:
“Die Reise ins Reich: Unter Reichsbürgern”, von Tobias Ginsburg (Rowohlt Verlag)
Anmerkungen:
Hier gibt es mehr Informationen zur Reichsbürger-Szene:
Reichsbürger, Reichsbürgerbewegung
Ginsburg erwähnt die Vorstellung von «einem bösartigen Marionettenstaat», ein sehr beliebtes Motiv in der Welt der Verschwörungsgläubigen. Hier dazu mehr:
Metaphorik & Metaphern in Verschwörungstheorien. Genauso beliebt ist in der Reichsbürger-Szene und bei anderen Verschwörungstheoretikern die Opferrolle. Hier mehr zu dieser Selbstviktimisierung: Opfermentalität / Selbst-Viktimisierung