Der Kampfbegriff von der „Lügenpresse“ ist oft zu hören auf Demonstrationen von Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Nicht immer wörtlich, sondern in verschiedenen Variationen. Medienleuten wird an solchen Veranstaltungen jedenfalls gern an den Kopf geworden, sie würden doch alle Lügen. Dabei schwingt mit, dass die etablierten Medien alle unter einer Decke stecken, absichtlich Unwahrheiten verbreiten oder gar „von oben“ gelenkt sind. Mehr zu dieser Verschwörungstheorie hier:
Lügenpresse als Einbildung – Medienkrise als Realität
Sascha Lobo hat zur Bedeutung des Kampfbegriffs von der «Lügenpresse» in einem Vortrag interessante Überlegungen dargeboten. Ausgehend von Hasskommentaren, die im Netz zunehmend auch unter Klarnamen veröffentlicht werden, stellt Lobo fest, dass die «Mässigung» als ein zentraler Kern der bürgerlichen Öffentlichkeit, unter Druck gerät.
«Wir müssen erkennen, dass die bürgerliche Öffentlichkeit, die wir im ausgehenden 20. Jahrhundert als Spiegel oder gar als Kristallisationspunkt der Gesellschaft betrachten wollten, ein temporärer, allzu kleiner Ausschnitt aus der Wirklichkeit war. Diese bürgerliche Öffentlichkeit hat uns zu der rückwirkend betrachtet lieblichen Illusion von Gesellschaft verführt, die soeben schwindet. Sie war geprägt von einem der wichtigsten, wenn nicht dem wichtigsten bürgerlichen Wert: Mäßigung.
Mäßigung erkennt man vor allem daran, was als extrem gilt. Das von Extremisten verwendete Schlagwort „Lügenpresse“ zielt in erster Linie auf ebendiesen Kern bürgerlicher Öffentlichkeit. Wer „Lügenpresse“ sagt, meint eigentlich: „Die Medien sind nicht bereit, meine extremistische, kompromisslose, ungemäßigte Welthaltung abzubilden.“ Weil Extremismus und der autoritäre Ausschluss des Anderen Hand in Hand gehen, zielt der Begriff „Lügenpresse“ auch auf den Pluralismus. Wer „Lügenpresse“ schreit, möchte nicht nur seine Interpretation der Realität auch abgebildet sehen – sondern ausschließlich seine. Dabei hilft die Unterteilung der gesamten Welt in richtig (wir) und falsch (alle anderen), weil man dann von „richtig“ sprechen kann, wenn man eigentlich nur sich selbst meint.»
Quelle:
Das Ende der Gesellschaft:
Digitaler Furor und das Erblühen der Verschwörungstheorien (Blätter)
Anmerkungen zum Begriff „Lügenpresse“
☛ Wer „Lügenpresse“ schreit, sieht sich oft auch als Kämpfer für die angeblich unterdrückte Meinungsfreiheit. Sascha Lobo zeigt sehr deutlich auf, dass es ihnen dabei nur um ihre eigene Meinung geht. Um Pluralismus der Meinungen geht es ihnen jedenfalls nicht. Jede Kritik an ihrer Meinung werten sie schon als Unterdrückung.
☛ Die Kreise, die mit dem Kampfbegriff der „Lügenpresse“ etablierte Medien pauschal diffamieren, verfolgen damit eine politische Agenda. Sie wollen die Menschen an ihre eigenen Propagandamedien binden. Siehe dazu:
Alternative Medien als Verbreiter von Verschwörungstheorien
☛ Alternativ zum Begriff „Lügenpresse“ ist auch etwas weniger krass von den „Mainstreammedien“ die Rede. Gemeint ist damit aber mehr oder weniger das selbe.
Siehe dazu:
Mainstreammedien als Feindbild von Verschwörungstheorien