In einem Interview mit ufuq.de erklären Daniel Can und Matthias Kathan, wie Verschwörungstheorien funktionieren, was sie für Jugendliche attraktiv macht und welche Handlungsmöglichkeiten es in der pädagogischen Arbeit gibt. Die beiden Interviewten arbeiten für die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg – unter Anderem zum Thema:
Verschwörungstheorien bei Jugendlichen
Hier dazu einige Kernpunkte aus dem Interview:
☛ Verschwörungstheorien sind immer dort anschlussfähig, wo Menschen mit komplexen Sachverhalten konfrontiert sind, für die keine bewährten Erklärungsmuster greifen oder die sich einfachen Interpretationen entziehen.
☛ Verschwörungstheorien entspringen dem ausgesprochen menschlichen Bedürfnis nach Sinnzusammenhängen und eingängigen Erklärungen, vielleicht auch Deutungen von gesellschaftlich oder persönlich herausfordernden Problemlagen.
☛ Ausgangspunkt für Verschwörungstheorien sind dabei häufig eine berechtigte und wichtige, kritische Haltung gegenüber Informationen oder Erklärungen unterschiedlicher Quellen. Eine solche kritische Haltung ist grundsätzlich ja auch erwünscht.
☛ Jugendliche stossen bei solchen Abwägungen und der Suche nach den erwähnten Sinnzusammenhängen auf unseriöse, wissenschaftlich nicht fundierte Quellen und auf Verschwörungstheorien, die durch die Behauptung einfacher Wirkmechanismen, einer Einteilung in Gut und Böse oder auch dem Versprechen der unmittelbaren Herstellung der Handlungsfähigkeit zu überzeugen wissen.
☛ Diese Verschwörungstheorien finden sich üblicherweise im Zusammenhang mit unangenehmen und beängstigenden Themen, wie beispielsweise Krankheit, Krieg, wirtschaftliche Misserfolge.
☛ Dabei ist oft ein wichtiger Faktor, dass Wut einfacher zu fühlen ist als Angst. Es ist einfacher zu ertragen, das Gefühl fehlender Kontrolle einer geheimen Opposition zuzuschreiben, anstatt einer komplexen Gemengelage.
☛ Verschwörungstheorien bieten häufig radikale Gegenpositionen zu etabliertem Wissen oder Alltagswissen. Dabei wird auch das identitätsstiftende und selbstüberhöhende Potential solcher Verschwörungserzählungen erkennbar: Es geht zum Beispiel um «wir gegen die», «gut gegen böse», «rechtschaffen gegen hinterlistig».
☛ Verschwörungstheorien bieten zudem ganz banal in der Regel die spannendere und außergewöhnlichere Erklärung für komplexe Situationen und anstrengende Themen. Dadurch werden sie häufig interessanter und auch einfacher zu verbreiten, als es für reale Zusammenhänge möglich wäre.
☛ Die Beschäftigung mit der Frage nach einer alternativen Realität enthält ausserdem das Potential radikaler Veränderung. Das kann für Jugendliche je nach Einschätzung der eigenen Lebensperspektive, des gefühlten Erfolges oder der Selbstwirksamkeitserwartung für Jugendliche reizvoll sein.
Quelle:
„Wut ist einfacher zu fühlen als Angst“ – ein Interview zu Verschwörungstheorien bei Jugendlichen (ufuq)
Siehe auch:
Verschwörungstheorien & Jugendliche – was Lehrpersonen und Eltern tun können
Wie Verschwörungstheorien auf YouTube das Weltbild von Jugendlichen prägen