Warnungen vor Verschwörungstheorien hört und liest man inzwischen häufiger. Weniger Aufmerksamkeit findet die Tatsache, dass Warnungen auch ein prägendes Element in vielen Verschwörungstheorien sind. Wir werden konkret gewarnt beispielsweise vor 5G-Strahlen, Chemtrails und Mikrochips in Impfungen. Es gibt aber auch Verschwörungstheorien mit umfassenden, pauschalen Warnungen. Zum Beispiel wenn ein Kandidat wie Trump immer Wahlbetrug unterstellt für den Fall, dass er verliert. Oder wenn gegnerischen Politikerinnen und Politikern unterstellt wird, dass sie Kinder foltern, um aus ihrem Blut das Verjüngungsmittel Adrenochrom zu gewinnen. So die Warnung der QAnon-Sekte. Weil Kinder betroffen sind, hat diese Warnung viel Potenzial, Menschen aufzuwühlen.
Insofern Warnungen die Zukunft betreffen, haben sie den Vorteil, dass sie sich nicht an der Realität messen müssen. Denn die Gefahr, vor der gewarnt wird, soll ja erst eintreffen.
Auf Warnungen zu achten, dürfte in der Entwicklungsgeschichte des Menschen ein evolutionärer Vorteil gewesen sein. Wer nur ungenügend auf die Warnung vor einem Bären reagiert hat, wurde mit grösserer Wahrscheinlichkeit gefressen, hat sich dadurch weniger fortgepflanzt und damit kaum unser Vorfahre.
Warnungen erregen daher stark unsere Aufmerksamkeit. Das ist im Zeitalter sozialer Medien ein starker Vorteil für Verschwörungstheorien, die mit einer Warnung verbunden sind. Sie werden ausserordentlich stark beachtet und auch intensiv geteilt. Schliesslich sollen unsere Bekannten und Follower auch gewarnt werden. Auf solche Interaktionen wie Likes, Shares und Kommentare reagieren dann die Algorithmen von Facebook, Twitter & Co. – sie taxieren solche Beiträge als besonders wichtig für ihr zentrales Anliegen, die «User» möglichst lange auf der Plattform zu halten, damit ihnen Werbung ausgespielt werden kann. Die Algorithmen sorgen deshalb dafür, dass solche Beiträge weiterreichend auf der Plattform verbreitet werden.
Man muss den Menschen also Angst einjagen, damit sie die Warnhinweise weiterverbreiten, und die dadurch entstehenden Interaktionen bewegen den Algorithmus dazu, noch eins obendrauf zu setzen und den Beitrag breiter zu streuen.
Warnungen der Verschwörungstheorien alarmieren vor in existenten Gefahren
Die Warnung vor Gefahren ist auch heute noch in vielen Fällen wichtig – zum Beispiel wenn man ein Kind vor der heissen Herdplatte warnt. Oder sie sind gar überlebenswichtig – zum Beispiel bei Lawinenwarnungen in den Bergen.
Verschwörungsideologen warnen aber vor Gefahren, die nicht existieren, oder sie stellen Gefahren übertrieben dar. Damit manipulieren sie beispielsweise Wählerinnen und Wähler. Und sie lenken von realen Gefahren ab. Durch Verschwörungstheorien irregeleitete Menschen investieren viel Engagement, Zeit und Geld in die Abwehr von inexistenten oder wenig relevanten Gefahren. Das ist ein Verlust für jede demokratische Gesellschaft, die vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger lebt. Verschwörungsgläubige vergeuden ihr Engagement für die Abwehr inexistenter Gefahren. Dabei wäre es wertvoll, Zeit und Geld in demokratische Prozesse zu investieren, um konkrete Probleme zu lösen. Aber dafür ist bei vielen Verschwörungsgläubigen das Misstrauen gegen demokratische Prozesse wohl schon zu gross.
Was tun?
Nicht alle Verschwörungstheorien operieren mit Warnungen. Die Evis-lebt-Verschwörungstheorie, die «Mondlandungslüge» oder die «Flacherdler» sind in dieser Hinsicht in der Regel wohl harmlos. Verschwörungstheorien, die mit Warnungen operieren, sind aber oft problematisch bis gefährlich.
☛ Wir müssen genauer hinschauen, ob Warnungen manipulativ sind oder reale Gefahren beschreiben. Hinter den Warnungen von Extremisten jeder Couleur steckt eine politische Agenda. Das gilt für Rechtspopulisten, Rechtsextremisten, Linksextremisten und Islamisten.
☛ Zweifel und ein gesundes Misstrauen sind wichtig für Demokratie und Wissenschaft. Verschwörungsideologen predigen dagegen ein toxisches Misstrauen, das zerstörerisch ist. Zwischen gesundem Misstrauen und toxischem Misstrauen zu unterscheiden ist deshalb essentiell. Siehe dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
Siehe ausserdem:
Ablenkung durch Verschwörungstheorien statt Lösung realer Probleme
Verschwörungsideologien sind das Gegenteil von Gesellschaftskritik
Warnungen als Instrument zur Propagierung von Verschwörungstheorien