Der Tübinger Amerikanistikprofessor Michael Butter ist Experte auf dem Gebiet der Verschwörungstheorien. Im Gespräch mit dem «Mannheimer Morgen» warnt er vor scheinheiligen Fragen der Verschwörungstheoretiker. Viele Verschwörungstheoretiker behaupten nämlich, dass sie ja nur Fragen stellen.
Das sei eine bekannte Strategie von Verschwörungstheoretikern, sagt Butter. Sie sei aufgekommen in den 1960er Jahren, als es nämlich nicht mehr normal ist, an Verschwörungstheorien zu glauben. Das habe Verschwörungstheoretikern zwei Optionen gelassen:
«Sie können entweder ganz offensiv diese Theorien vertreten. Oder sie können vorgeben, dass sie ja nur Fragen stellen, also sich an der offiziellen Version abarbeiten, ohne explizit eine Gegenerzählung zu entwerfen. Das sind dann die Verschwörungstheoretiker, denen es oft gelingt, an die breite Masse anzudocken.»
«Nur Fragen stellen» ist bei Verschwörungstheoretikern selten ergebnisoffen
Man müsse sich klar vor Augen halten, dass dieses „nur Fragen stellen“ in den allerseltensten Fällen wirklich ein ergebnisoffenes „nur Fragen stellen“ sei, sondern in der Regel führe das auf ein ganz bestimmtes Ziel hin. Das seien also rhetorisch ganz geschickt formulierte Fragen, die eigentlich nur noch den Schluss übrig lassen: „Da ist eine Verschwörung im Gange.“ Insofern sei „Ich stelle doch nur Fragen“ ein Mantra überzeugter Verschwörungstheoretiker in der Gegenwart und sollte einen nicht täuschen.
Quelle:
Tübinger Professor Michael Butter warnt vor scheinheiligen Fragen der Verschwörungstheoretiker
(Mannheimer Morgen)
Anmerkungen
☛ Um es deutlich zu sagen: Die Fragen der Verschwörungstheoretiker sind in der Regel suggestiv, sie unterstellen bereits etwas, zu mindestens einen Verdacht. Und wer «nur Fragen stellt», muss sich auch nicht gross um Begründungen kümmern.
☛ Michael Butter (geb. 1977) lehrt seit 2014 als Professor für Amerikanische Literatur und Kulturgeschichte. Die Verschwörungstheorien sind sein Forschungsschwerpunkt.
Er koordinierte bis Ende September das Netzwerk COMPACT, in dem sich 160 Fachleute aus 40 Ländern zu Verschwörungstheorien austauschten.
Seit Kurzem leitet Michael Butter ein vom Europäischen Forschungsrat gefördertes Projekt, das den Zusammenhang zwischen Populismus und Verschwörungstheorie untersucht (bis 2025).
☛ Michael Butter hat ein sehr lesenswertes Buch geschrieben:
»Nichts ist, wie es scheint«, über Verschwörungstheorien, von Michael Butter
☛ Zum Thema «Wir stellen ja nur Fragen» gibt es hier einen ausführlicheren Beitrag: