Verschwörungstheorien sind erstaunlich anpassungsfähig. Sie verändern sich während ihrer Weiterverbreitung und passen sich damit an veränderte Umstände an.
Im Zuge ihrer Weiterverbreitung überdauern sie manchmal Jahrhunderte und passen sich dann den veränderten Zeitumständen an. Sie gelangen aber auch in andere Weltregionen und werden auch dort an die neuen Verhältnisse adaptiert.
Die Freimaurer-Verschwörungstheorie im Zuge ihrer Weiterverbreitung
Ein Beispiel für diese Anpassung im Zuge der Weiterverbreitung liefert der Historiker Claus Oberhauser in einem Interview mit Scilog:
«Wir wissen das von den Freimaurer-Verschwörungstheorien. Deren Kern hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert in Westeuropa. Dann gelangten sie in die USA, wo sie eine andere Wendung erhielten, nicht zuletzt deshalb, weil US-Präsident George Washington ein Freimaurer war. Während Freimaurer in Europa eher als Kräfte der Französischen Revolution galten, wurde sie in den USA dem Eliten– bzw. Staatsdiskurs zugeordnet.»
Quelle:
Gefährlicher Mix aus Fakten und Fiktion (Scilog)
In Westeuropa wurde also von Gegnern der Französischen Revolution den Freimaurern die Schuld für dieses geschichtliche Ereignis zugeschoben. In den USA dagegen galt die Regierung als von Freimaurern unterwandert.
Veränderung der QAnon-Verschwörungstheorie im Zuge ihrer Weiterverbreitung
In der Gegenwart ist der QAnon-Kult ein gutes Beispiel für die Veränderung einer Verschwörungstheorie im Zuge ihrer Weiterverbreitung. Sie verändert sich vor allem dadurch, weil die Anhängerinnen und Anhänger sie weiterspinnen. Sie versuchen in endlosen Interpretationen, den mysteriösen Häppchen eine Bedeutung zu geben, die ihr anonymer Stichwortgeber Q. im Netz hinterlassen hat. Seit Trump die Präsidentschaftswahl verloren hat, veröffentlicht Q. keine Botschaften («Drops») mehr.
Das stoppte die QAnon-Szene aber keineswegs. Sie übernahm die Verschwörungstheorie ihres Idols Donald Trump und glaubte an den angeblichen Wahlbetrug. Dann fieberten die QAnons dem 6. Januar entgegen und glaubten an den grossen Umsturz zugunsten Trumps. Als diese Erwartungen nicht eintrafen und das Wahlresultat vom Kongress bestätigt wurde, verlagerten sich die Hoffnungen auf den Tag der Inauguration am 20. Januar. Das Militär würde eingreifen und Joe Biden mit allen Demokraten vor laufenden Kameras verhaften, wonach Trump triumphal zurückkehren würde. Nachdem auch dieser Tag zum Flop wurde verlagerten die Fans ihre Spekulationen auf den 4. März, weil bis 1933 die Inauguration des US-Präsidenten an diesem Tag stattfand. Fragt sich, wie lange das so weitergeht…..
Jedenfalls ist die QAnon-Szene ein gutes Beispiel für die Modifikation einer Verschwörungstheorie im Verlauf ihrer Weiterverbreitung. Sie ist ausserdem ein Beispiel für den IKEA-Effekt. Siehe dazu:
IKEA-Effekt bei Verschwörungstheorien