Thomas Grüter zeigt in einem Beitrag in «Zeit Geschichte» (3/2020) an verschiedenen Beispielen, wie Verschwörungstheorien die Feindbilder ihrer Anhänger spiegeln. Der Verdacht gegen eine Gruppe verfange dann besonders gut, wenn er bereits existierende Stereotype aufzugreifen, schreibt Grüter.
Um Feindbilder und Verschwörungstheorien rund um 9/11 geht es im folgenden Zitat:
«In Deutschland glaubten bei einer Erhebung im Jahr 2008 fasst ein Viertel der Befragten, die US-Regierung sei für die Anschläge verantwortlich. In Mexiko und der Türkei waren es noch deutlich mehr. 43% der Ägypter hielten dagegen Israel für den Schuldigen. In den USA glaubten nach verschiedenen seriösen Umfragen zeitweilig bis zu einem Drittel der Oppositionsanhänger, Präsident Bush oder die CIA habe von dem Anschlag im Voraus gewusst.»
Diese Zahlen zeigen, wie stark Verschwörungstheorien in die Bevölkerung eindringen.
Thomas Grüter schreibt weiter:
«Aber auch die US-Regierung pflegte ihre Feindbilder. Die falsche, in den USA jedoch populäre Verschwörungstheorie, der irakische Diktator Saddam Hussein habe die Terroristen unterstützt oder finanziert, trug im Jahr 2003 zum Entschluss der US-Regierung bei, den Irak anzugreifen und Saddam Hussein zu stürzen. Mit den Folgen dieser zweifelhaften Idee hat die Welt bis heute zu kämpfen.»
Weitere Feindbilder schildert Thomas Grüter in Bezug zur Corona-Pandemie:
«Dass Verschwörungstheorien die Feindbilder ihrer Anhänger spiegeln, zeigt sich gegenwärtig einmal mehr bei der Suche nach einem Sündenbock für die Corona-Epidemie. US-Präsident Donald Trump hat vom ‘Chinavirus’ gesprochen; Zhao Lijan, Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, verbreitete dagegen die Behauptung, amerikanische Soldaten könnten das Virus nach China gebracht haben. Beide bedienen die Vorurteile ihrer Anhänger, deuten eine gefährliche Verschwörung gegen ihr Land an und zeigen auf einen Schuldigen. Ein gefährliches Spiel. Verschwörungstheorien vertiefen nicht nur die gesellschaftliche Spaltung, sie können auch internationale Spannungen heraufbeschwören und Kriege auslösen.»
Quelle:
Angriff der Dämonen, von Thomas Grüter, in: „Zeit“ Geschichte (3/2020)
Anmerkungen:
☛ Feindbilder sind ein Kernelement in Verschwörungstheorien. Thomas Grüter zeigt, dass ein bestimmtes Ereignis wie 9/11 oder die Corona-Pandemie von ganz unterschiedlichen Verschwörungstheorien genutzt werden können, und dass die Konstruktion der Verschwörungstheorie entlang der jeweiligen Feindbilder geschieht.
Siehe auch: Feindbilder & Verschwörungstheorien
☛ Feindbilder konstituieren „Feindschaft“ als Haltung, die wiederum demokratische Prozesse sabotiert. Zum Unterschied zwischen Feindschaft und Gegnerschaft hat die Philosophin Marie-Luisa Frick beherzigenswerte Gedanken formuliert. Siehe dazu: