Dass Verschwörungstheorien die Feindbilder ihrer Anhängerinnen und Anhänger spiegeln, zeigt sich an allen Ecken und Enden. Ein Beispiel dafür beschreibt Thomas Grüter aus den Anhängen der Corona-Pandemie:
«Dass Verschwörungstheorien die Feindbilder ihrer Anhänger spiegeln, zeigt sich gegenwärtig einmal mehr bei der Suche nach einem Sündenbock für die Corona-Epidemie. US-Präsident Donald Trump hat vom ‘Chinavirus’ gesprochen; Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, verbreitete dagegen die Behauptung, amerikanische Soldaten könnten das Virus nach China gebracht haben. Beide bedienen die Vorurteile ihrer Anhänger, deuten eine gefährliche Verschwörung gegen ihr Land an und zeigen auf einen Schuldigen. Ein gefährliches Spiel. Verschwörungstheorien vertiefen nicht nur die gesellschaftliche Spaltung, sie können auch internationale Spannungen heraufbeschwören und Kriege auslösen.»
Quelle des Zitats:
Angriff der Dämonen, von Thomas Grüter; in: Zeit Geschichte Nr. 3 / 2020.
Anmerkungen zu «Feindbilder & Verschwörungstheorien»
Feindbilder sind in Verschwörungstheorien in unterschiedlichem Mass bedeutsam. Die «Mondlandungslüge» oder die «Flacherdler»-Verschwörungstheorie zum Beispiel scheinen meist nicht gross mit Feindbildern aufgeladen zu sein. Die Irrlehre von der «jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung» dagegen züchtete Feindbilder, die zum Tod von vielen Millionen Menschen führte.
Je stärker eine Verschwörungstheorie durch Feindbilder geprägt ist, desto gefährlicher kann sie werden. Solche Verschwörungstheorien konstruieren in hohem Mass Sündenböcke und legitimieren im schlimmsten Fall auch Gewalt gegen sie. Siehe dazu:
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt
Bei stark mit Feindbildern aufgeladenen Verschwörungstheorien kommt oft auch eine scharfe Spaltung der Welt in Gut gegen Böse ins Spiel. Dieser Dualismus hat nicht zuletzt religiöse Wurzel in der Gnosis und im Manichäismus.
Die religiösen Gnosis-Bewegungen aus der Zeit des frühen Christentums sind charakterisiert durch den Kampf zwischen Gut und Böse. Dazu kommt noch ein Erlösungsglaube, der sich ebenfalls in vielen Verschwörungstheorien in Form von Apokalypse-Erzählungen wiederfindet.
Der Manichäismus geht auf den Perser Mani (216–276/277) zurück. Er verkündete die dualistische Lehre der zwei Naturen oder Prinzipien als Gegensatzpaar Licht – Finsternis.
Wer etwas gegen die Ausbreitung von Verschwörungstheorien tun will, sollte die zentrale Funktion verstehen, die Feindbilder in diesem Kontext haben. Denn Feindbilder sind ein hoch potentes Mittel für Demagogie und politische Manipulation.
Siehe auch:
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