Die jüdische Organisation Anti-Defamation League (ADL) warnt vor einer rasanten Zunahme von antisemitischen Verschwörungstheorien in den USA. Die ADL stellt fest, dass eine große Zahl rechter amerikanischer Meinungsmacher in den sozialen Netzwerken den jüdischen Milliardär und Holocaust-Überlebenden George Soros (89) als Anstifter der jüngsten Unruhen in den Vereinigten Staaten an den Pranger stellt.
Auslöser vieler zum Teil gewaltsamer Proteste im ganzen Land war der Tod von George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis.
Absurde Behauptung: George Soros soll Proteste finanziert haben
Laut dem Bericht der Anti-Defamation League gibt es inzwischen eine Welle von Falschinformationen, nach denen das Ganze eine gezielt von George Soros geplante und finanzierte Aktion sei.
ADL-Mitarbeiter Aryeh Tuchman erklärte, man habe in den letzten Tagen einen »dramatischen Anstieg« von Anti-Soros-Posts in den sozialen Netzwerken festgestellt. »Es ist gang und gäbe, dass rechte Kommentatoren und Meinungsführer alles, was vor Ort passiert ist, Soros in die Schuhe schieben. Sie behaupten, er bezahle die Demonstranten für das Kommen, um so seine angeblich antiamerikanische Agenda voranzubringen«, sagt Tuchman in einem Interview mit der »Times of Israel«. Beweise für diese Behauptungen werden keine vorgelegt.
Hauptsächlich auf Twitter sei die Zahl der Anti-Soros-Posts von den üblichen rund 20.000 auf eine halbe Million pro Tag angestiegen. Unter den Usern, die derart absurde Ansichten öffentlich vertreten, ist auch der Schauspieler James Woods. Ihm folgen auf Twitter 2,4 Millionen Menschen. »Um es klar zu sagen. Unser Problem ist nicht Schwarz gegen Weiß. Unser Problem heute ist George Soros gegen Amerika«, twitterte Woods. Er bekam dafür schon in den ersten 24 Stunden über 80.000 Likes.
Verschwörungstheorien brauchen Sündenböcke
Nicht nur in der virtuellen, sondern auch in der realen Welt scheint der Hass auf den »Sündenbock« Soros offenbar zuzunehmen. Auf »Fox News« verlangte ein Studiogast sogar die Deportation des gebürtigen Ungarn, der als Jugendlicher die Schoa überlebt hatte und seit einigen Jahrzehnten in den USA lebt.
Der republikanische Aktivist Niger Innis sagte dort:
»Man hätte diesen Mann schon vor Jahrzehnten ausweisen sollen. Er ist die Zerstörung unserer Zivilisation und eine klare und eindeutige Gefahr für unser Land.«
Die Stoßrichtung der jüngsten Attacken auf Soros sei allerdings nicht in erster Linie die Tatsache, dass er Jude sei, sondern vielmehr, dass er angeblich versuche, die amerikanische Politik zu beeinflussen, sagte Aryeh Tuchmann.
Allerdings führe eine solche Theorie trotzdem oft zu einem Anstieg des Antisemitismus:
»Wenn jemand an eine nicht-antisemitische Verschwörungstheorie glaubt, ist es wahrscheinlicher, dass er auch eine antisemitische Variante davon akzeptieren wird.»
George Soros sei in gewissen Kreisen eine Art Chiffre für den angeblichen jüdischen Versuch, die Weltherrschaft zu übernehmen und die Nation zu schwächen, erklärte Tuchmann.
Quelle:
George Soros als Sündenbock (Jüdische Allgemeine)
Wie einfach ist es doch für Verschwörungsgläubige, für alles Mögliche immer wieder die gleichen Feindbilder bewirtschaften zu können. So muss man sich nicht mit komplexen Situationen und Ursachen auseinandersetzen. Während in der Coronakrise Bill Gates zum Hauptsündenbock erkoren wurde, ist es nun bei den Protesten zum Tod von George Floyd wieder George Soros. Belege liefern Verschwörungsgläubige für ihre Diffamierungen keine. Ein passender Sündenbock reicht.
Siehe auch Artikel zum Thema „George Soros“ in der Enzyklopädie auf dieser Website.