Was ist speziell an den Verschwörungstheorien während der Coronakrise. Und welche Gefahren bringen sie mit sich? Der Literaturwissenschaftler Dr. Niels Penke von der Universität Siegen liefern dazu Antworten.
Anders als zum Beispiel beim Mord an John F. Kennedy oder den Anschlägen vom 11. September, Ereignisse, um die sich ebenfalls viele Verschwörungsmythen ranken, sind diesmal Menschen auf der ganzen Welt betroffen. Das können gesundheitliche Risiko-PatientInnen sein oder Menschen, die beruflich wegen Kurzarbeit und Arbeitsplatzverlust betroffen sind oder durch Einschränkungen im Alltag wie Kontaktverbot und Ausgangssperre.
Niels Penke sagt:
„Die Beziehung zum Problem ist also anders. Und während viele versuchen, rational vorzugehen, suchen andere Umwege. Diese Umwege sind heutzutage näher als früher. Über soziale Medien verbreiten sich die Inhalte von Verschwörungstheoretikern wie das Virus selbst quasi exponentiell.“
Prominente wie Attila Hildmann und Xavier Naidoo oder der ehemalige RBB-Journalist Ken Jebsen erreichen so eine grosse Zahl an Menschen. Irgendwann wird das Thema auch von den klassischen Medien aufgegriffen, dann entsteht der Eindruck, Verschwörungstheorien seien überall. Doch das sei ein Missverhältnis zwischen medialer Repräsentanz und der realen Größe der Verschwörungsbewegung.
Verschwörungstheorien schaffen ein problematisches „Wir gegen die“
Der Literaturwissenschaftler warnt trotzdem davor, das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen. Er verweist auf die historischen Folgen von erfolgreich implementierten Verschwörungstheorien, etwa Ritualmordlegenden als historische Begründung eines Antisemitismus, der bis heute nicht wieder aus der Welt verschwunden ist. Dahinter stecke immer ein „Wir gegen die“, sagt Penke. Feindbilder der Verschwörungstheorien können Regierungen, Medien oder der Kapitalismus sein, aber auch Gruppen wie Kranke. „Die latente Gefahr ist: Verschwörungstheorien liefern immer auch Lösungen für die Probleme. Den entscheidenden Personen muss das Handwerk gelegt werden. Wie genau das aussehen soll, bleibt aber offen“, erklärt Penke. Das Motto laute: „Wir liefern euch den Bösewicht. Entscheidet ihr, was ihr mit ihm machen wollt.“
Quelle:
Wer glaubt denn sowas? Verschwörungstheorien in Coronazeiten (Universität Siegen)
Verschwörungstheorien führen nicht zwangsläufig zu Gewalt. Sie können aber durch die erzeugten Feindbilder auch zur Legitimierung von Gewalt genutzt werden.