Anlässlich der Corona-Pandemie hat das Magazin «HipHop» einen lesenswerten Artikel veröffentlicht unter dem Titel «Jede Verschwörungstheorie zu Corona ist eine zu viel».
Daraus hier einige zentrale Stellen zusammengefasst.
Verschwörungstheorien werden heutzutage nicht ausschließlich von dubiosen Gestalten in privaten Chat-Gruppen geteilt, sondern von reichweitenstarken Rappern und Rapperinnen wie Juju und Ramo aufgegriffen. Diesbezüglich an vorderster Front aktiv ist zudem Leon Lovelock, der vergangenes Jahr besonders mit Hauptaugenmerk auf Verschwörungstheorien in Deutschrapinterviews aufgefallen ist.
Der Mannheimer Fitnessfan hat sich in seinem neuesten Video 20 Minuten auf eine Treppe gesetzt, um zu erklären, „wie sie uns langsam lahm legen“.
Das Magazin «HipHop» fragt:
«Sie? Das sind in Leon Lovelocks Welt die da oben, die Medien oder eine wie auch immer gestaltete Machtelite. Der selbsternannte „Skeptiker der Mainstreammedien“ setzt das Virus direkt zu Beginn seines Monologs in Anführungszeichen. Auch ruft er namentlich Xavier Naidoo, Kollegah und Kianush auf, ihm beizustehen und „alles zu sagen, was sie wissen“.»
Bezüglich dem Coronavirus führt Lovelock aus, dass er auf jeden Fall rausgehen und sich keinesfalls einschränken werde – komme, was wolle. Er betont gleich mehrfach, das Virus könne schließlich nicht töten. Zusätzlich versucht er alle anderen «Querdenker» auf Revolution einzustimmen. „Macht auch ready für den Kampf“, ist seine dahingehende Ansage.
Das Magazin «HipHop» schreibt:
Was Leon Lovelock auf keiner Ebene zu begreifen scheint, ist, warum gegenwärtig solche drastischen Maßnahmen ergriffen werden. Es ist nicht von Belang, dass einem jungen, trainierten Mann das Virus vielleicht nur ein Husten oder ein bisschen Unwohlsein abringt. Es geht darum, dass wir Mütter, Väter, Großeltern, älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen nicht leichtfertig einer Todesgefahr aussetzen.»
Solidarität statt Ignoranz und Verantwortungslosigkeit
Deutschland habe nicht die medizinischen Kapazitäten, um auf eine ungebremste Ausweitung der Krankheit angemessen reagieren zu können. Daher müssten alle dabei mithelfen, die Verbreitung zu verlangsamen, schreibt „HipHop“:
«Mit größtmöglicher Ignoranz und Verantwortungslosigkeit ist dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Wozu es führt, wenn dringend erforderliche Maßnahmen zu spät angegangen werden, sehen wir in Italien.»
Dort könne man aktuell die Versorgung aller Patienten nicht mehr gewährleisten:
«Damit das hierzulande nicht passiert, müssen wir alle dafür Sorge tragen, das Gesundheitssystem im Rahmen unserer Möglichkeiten zu entlasten. Auch wenn das unsere persönliche Freiheit einschränkt. Wir sind angehalten, die Umstände zu akzeptieren und nach Lösungen für ein gutes und vor allem ansteckungsfreies Miteinander zu streben. Der Egoist, der mit dem Kopf durch die Wand rennen will, um ungehindert seine Klimmzüge zu genießen, zeigt keinerlei Reife. Mit solch einer unsachlichen Herangehensweise tun sich auch bekannte Gesichter der Rapszene hervor.»
Juju und Ramo leisten ebenso einen Beitrag zur Verwirrung mit Posts in ihren Stories. Sie geben ihren Fans fadenscheinige Erklärungsmodelle an die Hand.
Verschwörungstheoretisches Geraune
Hinter all den Geschehnissen vermutet ein von beiden rumgereichter Text eine nahezu sämtliche Bereiche umfassende Weltverschwörung. Die „Beispiele zum Nachdenken“, wie Juju sie nennt, reden vom „Alibi für den Zusammenbruch des Finanzsystems“ und beschreiben die Möglichkeit, dass alle Menschen „zugleich verchippt werden können“. Auch Leon Lovelock stimmt seine Anhängerinnen und Anhänger darauf ein, sich alternativ zu informieren.
Dass diese Ideen überhaupt Einzug in deutsche Jugendzimmer halten, sei gefährlich, schreibt das Magazin «HipHop»:
«Teenies, die im Bett liegen und in ihrer Story bestätigend mit dem Kopf wackeln, sind vermutlich die, die es für eine guten Plan halten, sich für eine Corona-Party zu versammeln.»
Der deutsche Rapper PA Sports habe relativ rasch das Gespräch mit Leon Lovelock gesucht und ihm nachvollziehbar dargelegt, dass er auf dem Holzweg ist. Dazu zählt auch die offenbar notwendige Erklärung, dass Aussagen der Regierung und Berichte der Boulevardpresse nicht das Gleiche sind.
Magazin „HipHop“ fordert Solidarität in der Coronakrise
Statt auf alles und im Endeffekt auf jeden Menschen aus der Risikogruppe einen gehörigen F*ck zu geben, sei es vielmehr an der Zeit, solidarisch zu sein, fordert «HipHop».
Sierra Kidd rufe in seiner Insta-Story genau dazu auf und teile die Seite quarantaenehelden.org, die ein Forum für hilfesuchende Menschen bietet, die direkt oder indirekt von Quarantäne-Maßnahmen betroffen sind.
Egoismus à la Lovelock stelle Ärzte, medizinisches Personal und im Endeffekt unsere gesamte Zivilgesellschaft vor unnötige Herausforderungen. Pflegenotstand habe in Deutschland bereits schon vor der Ausbreitung von der Corona-Pandemie existiert. Diese Situation werde sich weiter zuspitzen.
Das Magazin HipHop beendet den Artikel mit einem deutlichen Statement:
«Wir sollten uns alle darüber einig sein, dass den Worten von anerkannten Wissenschaftlern mehr Glauben zu schenken ist, als jemanden, der das Virus aus einem bloßen Gefühl heraus für nicht tödlich hält. In der Unterhaltung mit PA Sports gibt Leon Lovelock letztendlich zu, bei dem gesamten Themenkomplex schlichtweg „überfragt“ zu sein. Keine Pointe.»
Quelle:
https://hiphop.de/magazin/meinung/leon-lovelock-juju-corona
Das Magazin «HipHop» nimmt hier eine begrüssenswert klare Haltung ein. Sowohl zum Thema Corona-Pandemie, als auch zum Thema Verschwörungstheorien. Allerdings handelt es sich bei den Anmerkungen der erwähnten Rapper nicht um ausgefeilte Verschwörungstheorien. Es sind eher vage Verschwörungsgerüchte. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie ausgesprochen problematisch sind. Solche raunenden Unterstellungen fördern eine Verschwörungsmentalität. Dabei handelt es sich um eine eher vage, aber umfassende Überzeugung, dass alles irgend von irgendwem im Hintergrund gesteuert werde. Dadurch kann das Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse unterminiert werden.