Sogenannte alternative Medien spielen in der Coronakrise eine fragwürdige Rolle. Das zeigt eine Untersuchung der Universität Münster.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie schwirren nur wenige Fake News durch die Sozialen Netzwerke. Das haben Forscher der Uni Münster festgestellt. Sie entdeckten bei ihrer Untersuchung aber auch, dass es vermehrt zur Veröffentlichung von Verschwörungstheorien kommt.
In Corona-Zeiten publizieren „alternative Medien“ mehr Verschwörungstheorien, aber nur wenige Fake-News.
Zu diesem Resultat kam ein vierköpfiges Wissenschaftlerteam der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) unter der Leitung von Kommunikationsforscher Professor Thorsten Quandt.
Untersucht wurden laut einer Mitteilung der Uni 120.000 Posts, die von Anfang Januar bis zum 22. März über Facebook publiziert wurden – davon 15.000 von den alternativen Nachrichtenmedien, der Rest von klassischen Medienhäusern.
Die Studie wurde online veröffentlicht.
Die Medien raunen und munkeln von verschiedenen Verschwörungstheorien.
Danach haben zum Beispiel die Chinesen das Coronavirus als Waffe entwickelt, um den Westen zu zerstören. Oder die Bundesregierung in Deutschland habe schon 2012 von der bevorstehenden Pandemie gewusst, sie jedoch vertuscht. Oder aber: Corona sei nicht gefährlicher als eine ganz gewöhnliche Grippe.
„Alternative Medien“ in der Kritik
Als „alternative Medien“ werden Angebote bezeichnet, die sich selbst als kritische Gegenstimme und Korrektiv zu journalistischen „Mainstreammedien“ verstehen und insbesondere online aktiv sind. Sie sind in den vergangenen Wochen zunehmend in die Kritik geraten, weil ihnen vorgeworfen wird, die Bevölkerung durch gezielte Falschmeldungen zu gefährden.
Thorsten Quandt sagt:
„Unsere Analyse zeigt, dass es, anders als Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit vermuten, kein nennenswertes Maß an frei erfundenen Nachrichten gibt. Vielmehr hat sich gezeigt, dass sich die Alternativmedien während der Corona-Krise gerne die Faktenlage zurechtbiegen und Gerüchte sowie einzelne Verschwörungstheorien verbreiten. Diese Medien vermischen in ihren Veröffentlichungen das Leugnen des Klimawandels, die Migrantenkrise, Weltuntergangstheorien und das Coronavirus.“
Corona-Pandemie dominiert in allen Medien
Von den 120.000 Facebook-Posts, die die Forschenden untersucht haben, befassten sich in den drei Monaten etwa 20.000 inhaltlich mit dem Coronavirus, heißt es in der Mitteilung der Universität weiter. Zu Beginn gab es nur wenige Berichte zu diesem Thema, seit März dominiert es dagegen die Berichterstattung – sowohl in den alternativen als auch in den klassischen Massenmedien.
Thorsten Quandt betont:
„Die alternativen Medien verbreiten ihre Botschaften subtil in einer harmlos wirkenden Kommunikationsstrategie. Offensichtliche Falschmeldungen passen nicht zu dieser Vorgehensweise. Wir haben jedoch populistische Tendenzen in ihren Beiträgen festgestellt. Es gab zahlreiche kritische oder beleidigende Äußerungen gegenüber handelnden Politikern wie beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Damit verfolgen die Alternativmedien das Ziel, langfristig eine kritische Haltung gegenüber Politikern, Flüchtlingen, dem Klimawandel oder schlicht ‚dem System‘ zu schüren.“
Trotzdem spricht sich Quandt gegen ein Verbot solcher Medien aus:
„Gerade in Krisenzeiten spiegelt sich die Stärke einer Demokratie in ihren offenen und pluralistischen Debatten.“
Die Themen seien die Alten, sagt Quant, neu sei nur, dass jetzt das Coronavirus noch untergemischt werde. Fake-News seien fabriziert, Verschwörungstheorien hätten jedoch oft einen wahren Kern und seien schwieriger zu widerlegen.
Der Anteil der Verschwörungstheorien liege zwar nur im niedrigen einstelligen Bereich. Allerdings würden sie auf Facebook und anderen Kanälen verbreitet. Und plötzlich werde daraus eine Wahrheit, sagt Quandt.
Verschwörungstheorien zum Coronavirus in alternativen Medien
Die Auswertung der Facebook-Daten durch die Wissenschaftler zeigt auch, dass alternative Nachrichtenmedien Verschwörungstheorien über die Herkunft des Coronavirus verbreiten:
Beispielsweise, dass die Chinesen das Virus als Waffe entwickelt hätten, die verbreitet würde, um den Westen zu zerstören. Damit haben die Alternativmedien eine beachtliche Anzahl von Reaktionen hervorgerufen.
Thorsten Quandt erklärt:
„Wir fanden mehrere Fälle, in denen ihre Aussagen an anderer Stelle aufgriffen wurde, beispielsweise in den Youtube-Kanälen von Verschwörungstheoretikern, die als sekundäres Verbreitungssystem dienen. Sie bezeichnen die Botschaften der alternativen Nachrichtenmedien als glaubhaft.“
In einer zweiten Studie wollen die WWU-Forscher die Facebook-Veröffentlichungen der klassischen Nachrichtenmedien analysieren und mit denen der Alternativmedien vergleichen.
Quelle:
Verschwörungstheorien zum Coronavirus:
Analyse von Facebook-Posts: Wie Alternativmedien Fakten verdrehen
(Westfälische Nachrichten)
Originalpublikation:
https://arxiv.org/abs/2004.02566
Alternative Medien kommen oft mit dem Anspruch daher, die Wahrheiten zu enthüllen, die in den «Mainstreammedien» angeblich verschwiegen werden. Diesem Anspruch werden sie nicht gerecht, weil sie selber in der Regel weit entfernt sind von journalistischen Standards. Ihre Inhalte sind oft sehr einseitig und propagandistisch eingefärbt. Sie erfüllen damit selber genau das, was sie den «Mainstreammedien vorwerfen.
Siehe dazu auch: