Je stärker eine Person zu Verschwörungstheorien neigt, desto stärker befürwortet sie auch Alternativmedizin bzw. Komplementärmedizin, und desto mehr lehnt sie Impfungen und konventionelle Medikamente wie Antibiotika ab. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler um Pia Lamberty und Roland Imhoff vom Psychologischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern: Wer Alternativmedizin oder Komplementärmedizin befürwortet, glaubt nicht zwangsläufig auch an Verschwörungstheorien. Die Wissenschaftler aus Mainz haben aber doch einen starken Zusammenhang gefunden. Sie untersuchten, wie stark ihre Probanden einer Verschwörungsmentalität anhingen.
Verbreitete Verschwörungsmentalität
Eine Verschwörungsmentalität schreibt die Psychologie Menschen zu, die daran glauben, dass die Welt von verborgenen Mächten beherrscht wird. Oft sind diese Menschen Anhänger verschiedener Verschwörungstheorien und empfinden sich selbst eher als machtlos.
Die Probanden sollten unter anderem Auskunft darüber geben, wie sie über die Wirkung verschiedener schul- und alternativmedizinischer Verfahren wie Antibiotikatherapie, Bluttransfusionen, Homöopathie, Bachblüten- und Aromatherapie denken. Sie wurden zudem gefragt, wie stark sie die Wirkung eines fiktiven pflanzlichen Medikaments einschätzen. Einigen Probanden wurde dabei erklärt, das Präparat sei von einem Pharmahersteller entwickelt worden. Den anderen Teilnehmern, es gehe auf die Initiative einer Patientengruppe zurück.
Die Wissenschaftler fanden heraus: Je mehr die Probanden zu einer sogenannten Verschwörungsmentalität tendierten, desto stärker lehnten sie konventionelle Heilmethoden wie Antibiotika und Impfungen ab und befürworteten stattdessen Verfahren der Alternativmedizin.
Pia Lamberty erklärt: «Wir haben einen eindeutigen Zusammenhang gefunden: Je stärker die Verschwörungsmentalität einer Person ausgeprägt ist, desto mehr befürwortet sie alternative Verfahren und lehnt konventionelle Heilmethoden ab». Zudem bewerteten Personen mit Verschwörungsmentalität die Wirkung fiktiver Medikamente positiver, wenn sie angeblich nicht von einem Pharmakonzern entwickelt wurden.
Zwei weitere Studien untermauerten diese Ergebnisse und zeigten laut Lamberty und Imhoff, dass die Brücke zwischen einer Verschwörungsmentalität als einer politischen Haltung und der Bevorzugung von Alternativmedizin in einem Misstrauen gegenüber Macht begründet liegt. „Alles, was mit Macht in Verbindung gebracht wird, zum Beispiel die Pharmaindustrie, wird von Verschwörungstheoretikern sehr skeptisch beurteilt“, erläutert Lamberty.
Praktische Konsequenzen der Verschwörungsmentalität
Die Verschwörungsmentalität hat erhebliche praktische Konsequenzen im Umgang mit Gesundheit und Krankheit. Die Wissenschaft der Medizin wird auf dem Hintergrund dieser Haltung oft mit der Pharmabranche gleichgesetzt Und die Pharmaindustrie wird als böse Macht wahrgenommen, der zu misstrauen ist.
Daraus entstehen Verschwörungstheorien, die im Bereich von Gesundheit, Krankheit und Heilen reichlich gibt.
Beispiele für alternativmedizinisch gespiesene Verschwörungstheorien:
– Allgemeine Pharmaverschwörungen: Die Pharmaindustrie will uns aktiv krank halten, um uns Medikamente verkaufen zu können.
– Die Krebs-Verschwörung: Die Pharmaindustrie hält wirksame, sanfte und kostengünstige Behandlungsmethoden gegen Krebs gezielt zurück, um uns teure Chemotherapien verkaufen zu können. Bernd Harder hat auf der Website der GWUP Argumente gegen diese Vorstellungen zusammengestellt:
Zehn Gründe, warum es keine „Krebs-Verschwörung“ gibt
– Die Impf-Verschwörung: Die Wahrheit über das Impfen wird angeblich unterdrückt. Obwohl x-fach widerlegt, wird hier immer wieder die falsche Behauptung weitergereicht, dass die Mumps-Masern-Röteln-Impfung Autismus auslösen könne.
Siehe dazu: Studie widerlegt erneut Zusammenhang zwischen Impfung und Autismus
Zwischen gesundem und toxischem Zweifel unterscheiden!
Gegenüber der Pharmaindustrie ist durchaus eine kritische Haltung angebracht. Wichtig ist aber, zwischen gesundem Zweifel und toxischem Zweifel zu unterscheiden. Misstrauen soll nicht pauschal werden. Kritik soll präzise Missstände benennen.
Siehe dazu:
Über toxische Zweifel und toxisches Misstrauen
Quellen:
DOI:10.1027/1864-9335/a000347
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/2018-08/wer-macht-misstraut-neigt-zu-alternativmedizin/
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/96879/Alternativmedizin-profitiert-vom-Glauben-an-Verschwoerungstheorien