Wir hören irgendeine unglaubliche Geschichte – zum Beispiel über geheime Pläne der Regierung. Und es stellt sich die Frage, ob sie wahr ist oder nicht?
Stimmt die Geschichte oder handelt es sich um eine Verschwörungstheorie?
Das ist oft nicht einfach zu entscheiden. Und man kann und soll dazu auch wo immer möglich die Fakten prüfen, was aber oft viel Zeit braucht und nicht immer leicht ist.
Der Philosoph Michael Hampe schlägt in seinem Buch «Die Dritte Aufklärung» einen weiteren Prüfstein für wahr / falsch vor und bezieht sich dabei auf den englischen Philosophen David Hume (1711 – 1776). Zitat:
«Der schon erwähnte David Hume hat überlegt, wie man sich zu unwahrscheinlichen (und aufregenden) Geschichten im Allgemeinen verhalten soll. Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Geschichten über die Hexe oder die geheimen Pläne der Regierung wahr sind? Und wie wahrscheinlich ist es, dass sich ein eitler Mensch mit einer erfundenen Geschichte hervortun will und sie deshalb weitererzählt, ohne sie zu prüfen, oder dass er gar zu diesem Zweck schlichtweg lügt? Aus eigener Lebenserfahrung haben die meisten von uns die begründete Meinung gebildet, dass Menschen sowohl ein Bedürfnis nach aufregenden Geschichten haben, unterhalten werden wollen, wie sie auch eitel sind und Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchten. Deshalb ist für Hume die Wahrscheinlichkeit, dass eine unwahrscheinliche Geschichte wahr ist, viel geringer als die, dass man einem eitlen Menschen begegnet, der mit seiner Story Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass man solch unwahrscheinlichen Geschichten keinen Glauben schenken und sie nicht verbreiten sollte, auch wenn sie unterhaltsam sind.»
Quelle:
«Die Dritte Aufklärung», von Michael Hampe, NP&I Verlag 2018
Anmerkung zur «Wahr oder Falsch»-Frage:
Mit dem Kriterium von Hume lässt sich natürlich nicht immer und nicht mit Gewissheit entscheiden, ob eine Aussage wahr ist oder beispielsweise eine Verschwörungstheorie. Trotzdem ist das Kriterium ein wichtiger Prüfstein. Es gibt Leute, die immer das Gegenteil des sogenannten «Mainstreams» behaupten müssen, weil ihnen das maximale Aufmerksamkeit bringt.
Narzissten sind gern in dieser Position. Sie gelten als mutig, weil sie dem «Mainstream» widersprechen und scheinbar sagen, was wahr ist. Im Internet bekommen sie dafür viele Likes und werden intensiv geteilt und kommentiert. Und diese Interaktionen werden von Algorithmen der Sozialen Medien belohnt, indem entsprechende Post automatisch weiterverbreitet werden. So bekommen diese Accounts grosse Reichweite. Das erhöht oft unverdienterweise ihre Glaubwürdigkeit. Beliebtheit heisst aber nicht, dass der verbreitete Inhalt auch fundiert sein muss. Daher ist die Frage von Hume wichtig, ob hinter einer solchen unglaublichen Geschichte Eitelkeit stecken könnte. Und es bleibt festzuhalten:
Aussergewöhnliche Behauptungen verlangen nach aussergewöhnlich guten Belegen.
Siehe auch:
Verschwörungstheorien: Wahrheit als fortlaufender, sozialer Prozess