Verschwörungsmythen sind auch darum so gefährlich, weil sie einen eingebauten Schutzmechanismus besitzen. Dass die Öffentlichkeit heftig widersprechen wird, ist ja schon Teil des Mythos. Jeder Beleg, der den Verschwörungsglauben eigentlich entkräftet, lässt sich damit als Bestätigung umdeuten. Wer widerspricht, ist bereits Teil der Verschwörung.
Das macht Widerspruch zu einem gewissen Grad wirkungslos und sinnlos.
„Wenn man nicht bereits eine Beziehung zueinander hat, kann man bei überzeugten Verschwörungsgläubigen eigentlich nichts erreichen“, erklärt Miro Dittrich. Er forscht für die Amadeu-Antonio-Stiftung zum Thema Verschwörungsmythen.
Ins Lächerliche ziehen ist für ihn keine Alternative im Umgang mit solchen Vorstellungen. Seiner Meinung nach sollte man eher Mitgefühl mit diesen Menschen haben.“
Und wer sich aktiv gegen Verschwörungsmythen engagiert, sollte sich besser nicht als Teil einer besonders überlegenen Gruppe sehen. Umfragen zeigen nämlich, dass ein großer Teil der Bevölkerung zu irgendeinem Verschwörungsmythos neigt. Eindrückliche Zahlen dazu bietet die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2019. Sie zeigt, dass etwa jeder dritte Deutsche Politiker für Marionetten anderer Mächte hält, jeder Vierte glaubt, Politik und Medien würden unter einer Decke stecken. Beinahe jeder Zweite glaubt an geheime Organisationen, die auf politische Entscheidungen großen Einfluss haben.
Auch eine Flut an Faktenchecks könnte dagegen wohl kaum ankommen. Das beste Mittel gegen Verschwörungsmythen ist darum zu lernen, weshalb der Glaube daran manchen Menschen ein gutes Gefühl gibt – und wie jeder von uns dort hineinrutschen kann.
Aber natürlich halten auch viele Menschen Verschwörungsmythen für wirren Unsinn.
Verschwörungsmythen verschaffen Selbstaufwertung
Für Verschwörungsgläubige bedeuten sie jedoch das Gegenteil: Klarheit.
„Sie teilen die Welt in Gut und Böse ein“, erklärt die Psychologin Pia Lamberty, die an der Universität Mainz zum Thema «Verschwörungsglauben» forscht. Die komplexen, ambivalenten Probleme der Welt erscheinen dadurch plötzlich verständlicher.
Lamberty sagt:
„Wer an die Verschwörung glaubt, erhebt sich damit automatisch zum Guten, allein, weil man glaubt, die Wahrheit zu kennen.“
Verschwörungsgläubige erleben dadurch eine Selbstaufwertung.
Lamberty dazu:
„Wir wissen aus psychologischen Studien, dass Menschen durch den Glauben an Verschwörungen ihr Bedürfnis nach Einzigartigkeit befriedigen können.“
Damit unterteilt sich die Welt der Verschwörungsgläubigen in die Guten, die Bösen – und all jene, die die vermeintliche Verschwörung noch nicht durchschaut haben.
Ein solcher Glaube könne Menschen Orientierung geben, wenn sie einen starken Kontrollverlust erlebt haben, sagt Lamberty. So ein Kontrollverlust könne beispielweise eine Trennung sein, Jobverlust oder Krankheit. Auch die Coronakrise zähle dazu.
Quelle:
VICE-Recherche: So radikalisiert Xavier Naidoo seine Fans mit Verschwörungstheorien (Vice)
Weitere Hinweise zum Umgang mit Verschwörungsgläubigen:
Wenn Verwandte an Corona-Verschwörungstheorien glauben – Tipps von Experten