In der «FAZ» hat Julia Schaaf ein sehr lesenswertes Interview veröffentlicht mit dem Politikwissenschaftler Josef Holnburger. Er beobachtet als Experte für Verschwörungsideologien die Szene bei Telegram und warnt vor einer erhöhten Bereitschaft, Gewalt einzusetzen.
Holnburger beobachtet als Geschäftsführer des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) mit seinen Kolleginnen und Kollegen um die 3000 Kanäle und Chatgruppen vorwiegend auf Telegram. Im Interview zeigt er sich sehr alarmiert:
«Wir haben mit einer sehr frustrierten Szene zu kämpfen. Die Leute sagen, ihre Demonstrationen hätten nichts gebracht, und die Impfpflicht, die sie so gefürchtet haben, komme jetzt ja trotzdem. Das führt zu einer höheren Bereitschaft, Gewalt einzusetzen. Dass sowohl online als auch offline Gewalt geäußert wird, sagen wir schon die ganze Zeit.»
Das habe auch mit dem Weltbild zu tun:
«Wenn man an eine globale Verschwörung einer bösen Elite glaubt – deshalb reden wir ja von Verschwörungsideologien – ist man eher gewillt, bis zum Äußersten zu gehen, je bösartiger man den vermeintlichen Feind zeichnet. Gewalt ist eigentlich die konsequente Fortsetzung eines verschwörungsideologischen Weltbilds.»
Gewalt als konsequente Fortsetzung eines verschwörungsideologischen Weltbildes
Digitaler und analoger Hass lassen sich nicht voneinander trennen, sagt Holnburger.
Die Interviewerin fragt den Experten, wann man befürchten müsse, dass aus Worten Taten werden?
Antwort Holnburger:
«Immer da, wo keine Grenzen gesetzt werden. Wenn im demokratischen Diskurs eine Person Gewalt äußert, wenden sich andere normalerweise ab und stellen klar, dass sie das nicht gutheißen. Diese Abgrenzung hat in der verschwörungsideologischen Szene nie stattgefunden.»
Er verweist dann auf Oliver Janich mit seinen 160.000 Abonnenten auf Telegram der bereits 2017 gesagt hat, dass man alle Mächtigen an die Wand stellen müsste. Janich sei aber eingeladen worden, bei Querdenker-Demonstrationen von der Bühne zu sprechen oder sich per Video zu äußern.
Holnburger: «Es hieß nie: Es gab von ihm Gewaltaufrufe, das ist eine rote Linie, das tolerieren wir nicht. Im Gegenteil: Man hat zu ihm gehalten. Wenn solche Personen bestärkt werden, wird es noch wahrscheinlicher, dass es zu tätlichen Konsequenzen kommt.»
Der Politikwissenschaftler fordert, dass jeder Mordaufruf strafrechtlich geahndet wird:
«Da gibt es eine Schere im Kopf, als wäre ein Mordaufruf im Netz weniger ernst. Das Digitale muss stärker als Ermittlungsraum wahrgenommen werden.»
Quelle:
Gewalt bei Corona-Protesten: „Demonstrationen funktionierten nicht, jetzt muss Blut fließen“ (FAZ)
Siehe auch:
Verschwörungstheorien als Katalysatoren von Gewalt