Der Psychologe Prof. Dr. Rainer Bromme von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster hat mit Forscherinnen und Forschern der Universitäten Zürich und Erfurt sowie unter Beteiligung von „Wissenschaft im Dialog“ das Wissenschaftsvertrauen der Deutschen untersucht. Dabei kommt das Team zum Resultat, dass das Vertrauen in die wissenschaftliche Forschung mit der Corona-Pandemie deutlich zugenommen hat. Auf wenig Zustimmung stossen dagegen Verschwörungstheorien.
Die Corona-Pandemie berührt seit rund zwei Jahren das globale Alltagsleben. Sie rückt zugleich aber auch die Wissenschaft und Forschung in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten.
Dabei steht auch die Frage nach dem Vertrauen in die Forschung und die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fokus. Eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Rainer Bromme, Psychologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, kommt in einer Studie nun zum Resultat, dass die Wissenschaft den pandemiebedingten Stresstest für ihr Vertrauen bislang bestanden hat. „Die Gruppe, die der Wissenschaft misstraut, ist mit sieben bis acht Prozent der Befragten sehr gering. Und sie verzeichnete im bisherigen Verlauf der Pandemie keinen Zuwachs“, sagt dazu Rainer Bromme, und ergänzt: „Der große Block der Unentschlossenen schmilzt ab, was die Gruppe derjenigen wachsen lässt, die der Wissenschaft vertrauen.“
Zustimmung für Verschwörungstheorien sinkt
Im September 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, erklärten demnach 46 Prozent der Befragten, der Wissenschaft zu vertrauen. Dieser Wert erhöhte sich kurz nach Beginn der Pandemie, im April 2020, auf 73 Prozent – im November 2020 lag er mit 61 Prozent noch immer deutlich über dem Vorkrisenniveau. Anders als einige Medienberichte nahe legen, reduzierte sich dagegen die Zustimmung zu verschwörungstheoretischen und populistischen Annahmen über Wissenschaft im Laufe der Pandemie.
Die Autoren dokumentieren seit Beginn der Corona-Pandemie einen deutlichen Anstieg sowie eine Stabilisierung des Vertrauens auf erhöhtem Niveau. Die Resultate seien ermutigend für Wissenschaftler, da diese einen großen Vertrauensvorschuss genießen. Neben dieser Tatsache unterstreichen die Forscher, dass ein Großteil der Befragten von der Politik eine Orientierung an den Erkenntnissen der Wissenschaft erwarte. Auch diese Erwartung habe seit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen und sei seitdem anhaltend hoch. Gemäss den Ergebnissen der Studie beeinflusst unter anderem der Grad der formalen Bildung das Vertrauen gegenüber Wissenschaft und Forschung – bei Menschen mit höherer Schulbildung ist das Wissenschaftsvertrauen im Durchschnitt höher.
Im „Wissenschaftsbarometer“ fragen die Forscher, welche Annahmen über Wissenschaft zu Vertrauen und welche zu Misstrauen beitragen. In der Analyse ziehen sie nun das Fazit, dass es sich dabei um ein asymmetrisches Verhältnis handelt. Denn während Vertrauen vor allem durch Annahmen über Expertise, also fachliches Wissen und Können der Wissenschaftler, entstehe, entspringe Misstrauen aus Annahmen über die Absichten der Wissenschaftler.
Werden bei Wissenschaftlern unlautere, schlechte oder egoistische Absichten angenommen, stärkt das das Misstrauen. Daraus folgt, so Psychologe Rainer Bromme, dass man einer populistischen, grundsätzlichen Ablehnung von etablierter Wissenschaft am ehesten jene Argumente entgegenstellen solle, „die Absichten, Interessen und Werte der Wissenschaftler betonen“ und die gleichzeitig die Absichten der Populisten aufdecken.
Komplexität der Forschung aufzeigen
Hilfreich sei es zudem, möglichst viel Wissen über die Corona-Pandemie gut verständlich zu vermitteln. Zugleich müsse auf die Komplexität der Forschung hingewiesen werden. Denn die Resultate der Studie zeigten auch, dass der Eindruck, man könne die Komplexität der Wissenschaft nicht verstehen, mit tieferem Wissenschaftsvertrauen verbunden ist. Deshalb sei es wichtig, zu erklären, dass es sich tatsächlich häufig um schwieriges Fachwissen handelt. Als weitere Mittel zur Erhaltung des Vertrauens raten die Studienautoren der Wissenschaft, akademische Kontroversen aufzuzeigen und die Grenzen des jeweiligen Fachs aufzuzeigen. Auch auf diese Art könne populistischen Angriffen vorgebeugt werden.
Wissenschaftsvertrauen im Zentrum der Studie
Zwar existieren laut Rainer Bromme in Deutschland und im Ausland mehrere Studien zum Zusammenhang von Wissenschaftsvertrauen und Corona-Pandemie. Diese Studien ziehen Wissenschaftsvertrauen als einer von mehreren Faktoren hinzu, die das Verhalten der Bürger im Umgang mit der Pandemie beeinflussen. In der nun durchgeführten Studie steht das Wissenschaftsvertrauen hingegen im Mittelpunkt. Die Wissenschaftler suchten Antworten auf die Frage, ob der Anstieg des Vertrauens seit dem Anfang der Pandemie eine nachhaltige Veränderung des Blicks der Bürger auf Wissenschaft und Forschung erwarten lässt. Dazu griffen sie Daten aus dem September 2019, also von vor der Pandemie, im Vergleich zu jenen der Pandemiemonate April, Mai und November 2020. Jeder der Datensätze der vier repräsentativen Erhebungen ergibt sich aus den Antworten von 940 bis 980 Befragten.
Das bevölkerungsrepräsentative „Wissenschaftsbarometer“ wird seit dem Jahr 2014 regelmäßig, mindestens jährlich, von der Wissenschaft im Dialog gGmbH ermittelt. An der Studie waren neben Rainer Bromme Niels Mede (Universität Zürich), Eva Thomm (Universität Erfurt) sowie Bastian Kremer und Ricarda Ziegler (beide Wissenschaft im Dialog, Berlin) beteiligt. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ publiziert.
Quelle:
Ausserdem:
☛ Erfreulich, dass das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung gegenüber dem Glauben an Verschwörungstheorien zugenommen hat.
Zu den Unterschieden zwischen Wissenschaft & Forschung gegenüber von Verschwörungstheorien siehe auch:
Corona-Pandemie: Was unterscheidet Wissenschaftler von Verschwörungstheoretikern?
☛ Um das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung zu stärken, braucht es vermehrte Anstrengungen in der Wissenschaftskommunikation. Siehe dazu:
Lehren für die Wissenschaftskommunikation zum Umgang mit Verschwörungstheorien
Mai Thi Nguyen-Kim zum Thema Wissenschaftskommunikation