Die Germanisten Dr. David Römer und Dr. Sören Stumpf von der Universität Trier erforschen die Sprache im Kontext von Verschwörungstheorien, vor allem an Texten zu Terrorismus, Klimawandel und Gesundheitspolitik.
Das Phänomen Verschwörungstheorien ist in den letzten Jahren verstärkt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie und die daraus folgenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens und ihre Folgen sorgten für ein nie dagewesenes Interesse an der Thematik. Forschungsprojekte vieler Disziplinen und Fächer befassen sich deshalb mit Verschwörungstheorien.
Dr. David Römer und Dr. Sören Stumpf stellen innerhalb der Sprachwissenschaft allerdings ein Missverhältnis zwischen Forschungsbedarf und wissenschaftlicher Beschäftigung fest. Die beiden Germanisten der Universität Trier betonen, es liege auf der Hand, dass gerade Sprache das Medium sei, durch das Verschwörungstheorien überhaupt erst vermittelt und wahrnehmbar werden. Dieser Diskrepanz wollen sie in einem gemeinschaftlichen Forschungsprojekt begegnen, das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.
Rhetorische Strategien und das Medium der Sprache
Das zentrale Ziel des Forschungsprojekts ist dabei die Untersuchung der Frage, wie über das Medium Sprache Verschwörungstheorien als soziale Wirklichkeiten konstruiert werden. Welche rhetorischen Strategien und sprachlichen Mittel werden eingesetzt, um Verschwörungstheorien als plausibel darzustellen? Und wie wird Sprache in Verschwörungstheorien verwendet, um wissenschaftliche Resultate und gesellschaftlich anerkanntes Wissen anzufechten? Diese Fragestellungen sollen vor allem an Texten erforscht werden, die in sozialen Medien verbreitet werden.
Die beiden Sprachwissenschaftler konnten in bisherigen Studien schon belegen, dass Verschwörungstheoretiker in ihrer Sprache ein spezifisches Vokabular einsetzen. So werden zum Beispiel in den Kommentaren unter YouTube-Videos, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, Wissenschaftler und Klimaaktivsten als „Klima-Jünger“ oder Angehörige einer „Klimareligion“ bezeichnet. Mithilfe dieser Metaphern schaffen es Verschwörungstheoretiker, die Überzeugung vom menschengemachten Klimawandel als irrational und nicht wissenschaftlich belegt zu inszenieren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit geplant
Die Wissenschaftler müssen allerdings das Untersuchungsmaterial für ihr neues Projekt noch zusammenstellen. Sie beabsichtigen dabei, hauptsächlich verschwörungstheoretische Texte zu den Themen Terrorismus, Klimawandel und Gesundheitspolitik berücksichtigen.
Die Daten sollen in einer Zusammenarbeit mit dem Servicezentrum eSciences der Universität Trier und unter Verwendung der digitalen Forschungsumgebung FuD aufbereitet, ausgewertet und archiviert werden. Auch eigene Tools und Methoden zur Analyse der Texte wollen die Forscher im Rahmen des sich über drei Jahre erstreckenden Projekts entwickeln. Darüber hinaus sind interdisziplinäre Kooperationen mit Psychologen, Medienwissenschaftlern und Soziologen vorgesehen.
Ein spezielles Anliegen der beiden Forscher ist es, im Rahmen des Projekts Aufklärungsarbeit im Bereich der Sprache zu leisten. Sie betonen, dass es nur durch eine engagierte Wissenschaftskommunikation und einen systematisch betriebenen Wissenstransfer möglich ist, mit der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen. Sie planen beispielsweise regelmäßige Workshops an Schulen. Schülerinnen und Schüler sollen hier die sprachlichen Strategien, die in Verschwörungstheorien verwendet werden, kennenlernen. So soll es ihnen gelingen, Verschwörungstheorien anhand der Sprache leichter als solche zu erkennen und sich und ihr Umfeld besser vor ihnen zu schützen. Aber auch das Arbeiten mit sprachwissenschaftlichen Methoden und Fragestellungen wollen die Forscher Schülerinnen und Schülern näherbringen.
Quelle:
Wie Sprache Verschwörungstheorien glaubwürdig erscheinen lässt (idw – Informationsdienst Wissenschaft)
Ausserdem zum Thema «Sprache & Verschwörungstheorien»:
☛ Sprache ist ein wichtiger Bereich in der Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien. Ein häufig vorkommendes sprachliches Merkmal in Verschwörungstheorien ist die Entlarvungsrhetorik. Dabei werden Ausdrücke verwendet, die darauf verweisen, dass hinter der offiziellen Darstellung – etwa der Medien oder der Politiker – eine verborgene Wahrheit liegt. Siehe dazu:
Entlarvungsvokabular / Entlarvungsrhetorik
Ebenfalls zum Thema Sprache & Verschwörungstheorien:
Metaphorik & Metaphern in Verschwörungstheorien
☛ Hier geht’s zu einem Experten-Talk mit Dr. Sören Stumpf über Merkmale der Sprache von Verschwörungstheorien (4,07 Minuten):